Freitag, 25. September 2020

Natur und Stahlseile

 “As you can see, life is a lot like a long and

challenging trail. Slowing down, enjoying the journey

being courageous and taking risks, as well as

overcoming the challenges with perseverance but

also a smile on your face, are things you will learn

while hiking" 

- Rebecca Brown.

 

Also ab nach Berchtesgaden. Schönau am Königssee. Berge.

 

19. Juni bis 30. Juni 2020

 

Wenn man, so wie ich, mit den Öffis im Süden unterwegs ist, merkt man schnell, dass das Fortbewegen von West nach Ost oder umgekehrt ziemlich schwierig ist. Ich brauchte also fast den ganzen Tag und musste sogar das Land verlassen (Salzburg – gut, dass die Grenzen seit 4 Tagen wieder uneingeschränkt offen waren), für eine Strecke, die mit dem Auto 3 Stunden gedauert hätte. Wenn man sich dann noch die Preise für Bahnfahrten in Deutschland anschaut, dann ist das eine Frechheit und tja, es überrascht wohl niemanden, dass so viele Menschen hier Auto fahren.

Aber gut, ich hatte es geschafft und kam nachmittags in Schönau am Königssee an. Berchtesgaden im hintersten Winkel von Deutschland. Weiter weg hätte ich mich nicht von Zuhause entfernen können ohne tatsächlich Deutschland zu verlassen. Ich war nicht einmal annähernd je in dieser Gegend gewesen, aber es gefiel mir sofort hier. Ich hatte mir eine winzige Ferienwohnung – eigentlich mehr ein Ferienzimmer – gemietet, direkt gegenüber der Jennerbahn. Perfekt gelegen und günstig, ein Kühlschrank und ein paar Utensilien zum Frühstücken und kleinere Mahlzeiten. Und einer tollen Aussicht auf die Berge!

 

Meine erste wolkenverhangene Aussicht :)


Da ich aber heute etwas richtiges Essen wollte und natürlich auch nicht eingekauft hatte, ging ich zur nächsten Pizzeria und setzte mich dort trotz eher kalter Luft nach draußen. Irgendwie hatte sonst niemand diese Idee und so war ich schon kurze Zeit später alleine im Außenbereich. Na, wenn das mal nicht Corona-konform war, weiß ich auch nicht.^^ Leider machte ich mich heute mit einem Nachteil des Alleine Reisens vertraut: Langweilige Restaurantbesuche. Klar, es war nicht das erste Mal, dass ich alleine in einem Restaurant saß und das ist auch nicht weiter schlimm… (Auch wenn es Menschen geben soll, die damit gar nicht klar kommen und sich sehr unwohl fühlen.) Aber ich hatte es geschafft mit quasi leerem Handyakku dort anzukommen und so saß ich für die letzten 20 Minuten ohne Beschäftigung in der Gegend rum und trank mein Radler. Wunderbar, dass es nicht Alster heißt. :P Nicht so wunderbar, dass dort keine Menschen zum Beobachten langkamen. Immerhin bot mir der Kellner noch einen Schnaps an. Ich frage mich, wie verzweifelt oder gelangweilt ich zu dem Zeitpunkt aussah.. :D

 

Der Grünstein hinter den Ausläufern des Königssees

Nächster Tag. Ich hatte gehofft, ich hatte die Daumen gedrückt und doch hatte es nichts genutzt. Das Wetter hatte sich gefühlt stündlich geändert in den letzten Tagen, aber an diesem Samstagvormittag war es einfach nicht gut genug gewesen. Es regnete. Die Wettersituation war schon seit Tagen kompliziert – drei Tiefdruckgebiete machten was sie wollten, nur kein gutes Wetter. Außerdem waren die Vorhersagen unglaublich ungenau, da es nur einen Bruchteil der sonst ankommenden Echtzeitdaten aus der Luft gab. Keine Passagierflugzeuge in der Luft - keine genauen Wetterdaten in der App. Hurra.

Ich sah also schon beim Aufwachen, dass es nichts werden würde mit der gebuchten Klettersteigtour. Der einzige geplante Teil der Reise fiel tatsächlich wegen schlechten Wetters.. ins Wasser. :( Ich hatte allerdings schon im Voraus gezahlt und so fragte mich Alex, mein ‚Bergführer‘, ob ich mit ihm in die Kletterhalle gehen wollte. Und weil ich das bisher nur einmal in Nepal gemacht hatte, sagte ich zu. Bei dem Wetter konnte ich eh keine Aktivität im Freien machen.

 

Und es wurde doch ein sehr spannender Tag, denn ich lernte das Klettern im Vorstieg (also das Klettern an der Wand ohne von oben gesichert zu werden), nachdem ich ein paar Routen im Toprope (von oben gesichert) geklettert war. Das war spannend! Besonders als ich dann das Fallen üben sollte. Absolut beängstigend und vollkommen gegen die Natur einfach loszulassen, obwohl deine Hände dich locker halten können. Besonders in dem Wissen, dass du jetzt mal entspannt ein bis zwei Meter fällst, bevor du abrupt gestoppt wirst und voll gegen die Wand knallst. Mein Gehirn davon zu überzeugen das gleich drei Mal zu machen und jedes Mal etwas tiefer und länger zu fallen, war definitiv Schwerstarbeit.

Es war ein bisschen schade, dass ich am Ende bei der schwersten Route im letzten Zug von der Wand fiel, aber es hatte trotzdem sehr viel Spaß gemacht!

 

Alex warf mich auf dem Rückweg bei einem Supermarkt raus und so konnte ich meine Einkäufe für die nächsten Tage erledigen. Das Gute hier: Man bekam eine Gästekarte, mit der man umsonst alle Busse benutzen konnte. Das nenne ich mal eine sinnvolle Investition meiner Kurtaxe oder wie auch immer man die Abgaben hier nannte. :)

 

Wir hatten irgendwie gehofft, dass sich das Wetter für den Sonntag zumindest noch ändern würde, aber auch diesmal hatten wir Pech. :( Kein Klettersteigwochenende für mich. Schade! Alex fragte, ob ich noch einmal mit ihm in die Halle gehen wollte, aber so nett es auch war, deswegen war ich eigentlich nicht hier und es war etwas viel Geld nur für eine kleine Kletterstunde. Also fragte ich, ob er mir nicht einfach die Ausrüstung zeigen könne und worauf ich achten muss, denn ich hatte ein bisschen recherchiert und oben am Jenner sollte eine ganz einfache Strecke für Anfänger sein. Die könnte ich bestimmt auch alleine machen ohne Bergführer oder Guide. Und so trafen Alex und ich uns bei einem Übungsfelsen, wo er mir alles erklärte, ein paar Tricks zeigte und sogar noch eine kleine Strecke mit mir kletterte. Schwierigkeit B/C. (A ist der leichteste und E der schwerste Grad.) Da ich es irgendwie schaffte den Teil bei Nässe und vollkommen ungeübt mit dem Equipment zu gehen, meinte Alex, dass ich auf dem Jenner keine Probleme haben würde. Er war so lieb und überließ mir die Ausrüstung für die nächsten Tage, so dass ich mir den Kram nicht noch ausleihen musste! <3

 


Da wir somit schon mittags fertig waren, beschloss ich noch eine kleine Wanderung zu unternehmen, da zwar alles nass war, es aber aufgehört hatte zu regnen. Und so ging es nett durch den Wald auf perfekt ausgebauten Wegen (langweilige Wanderautobahnen, die man sogar mit Kinderwagen begehen konnte) durch den Wald stetig nach oben. An zwei Stellen öffneten sich die Bäume zu tollen, wolkenverhangenen Sichten auf den Königssee unter mir inmitten von grünen Bergflanken (Bild oben). Der eindrucksvolle Watzmann auf der anderen Seite versteckte seinen felsigen Gipfel leider die meiste Zeit. Dann eine lange Biegung des Weges und man landete in einem offenen Almgebiet mit sanft geschwungenen Hügeln, ein paar Häusern und Pfaden, die in alle Richtungen in die Berge verschwanden. Hier waren auch etwas mehr Menschen unterwegs. Ich nahm jedoch den Weg, der mich in einem Bogen zurück ins Dorf bringen würde, anstatt großartig in die Berge aufzubrechen heute.

 

 


Denn ich hatte einiges geplant für den nächsten Tag! Den Rucksack abends gepackt und morgens von der Sonne geweckt, konnte ich schnell in den Tag starten. Das Fenster am Bett ging direkt nach Osten und ich liebte es, morgens sanft vom Licht geweckt zu werden. Ich stand so entspannt und früh auf, wie sonst nie.

 

Ich hatte etwa 3 Stunden eingeplant für die Wanderung nach oben zu dem Start des Klettersteiges und schaute etwas demotiviert auf das Wanderschild am Anfang des Weges: 5 Stunden. Egal, nun war ich schon losgegangen und zurück zum Lift wollte ich nicht mehr gehen und so stiefelte ich los. Ich war auch einigermaßen flott unterwegs und so schaffte ich die etwas mehr als 1000 Höhenmeter in knapp 3 Stunden. Nimm das, Schild! Leider fing es plötzlich an zu nieseln und ich sah mein Kletterabenteuer schon wieder ins Wasser fallen… Aber erstmal wollte ich ein wenig abwarten und so setzte ich mich für ein frühes Mittagessen in die Jenneralm. Und ich hatte Glück! Es hörte wieder auf, die Wolken, die eben noch über den Bergkamm geschlichen waren, zogen sich in höhere Gefilde zurück und es sah stabil gut aus. Ich würde es versuchen! Umdrehen geht nämlich nicht mehr, wenn man erst einmal in der Strecke drin ist.

 

Schützensteig:

Schwierigkeitsgrad: A – B

Wandhöhe: 150 m
Klettersteiglänge: ca. 330 m
Exposition: West
Zeit für Durchstieg: 1 – 1,5 Stunden

 

Den Start der Strecke fand ich auch sofort und so legte ich mir das ganze Zeug an, das ich hier hoch geschleppt hatte: Klettergurt, Kletterhandschuhe, Helm, Sicherheitsschlinge mit Karabiner und das Klettersteigsicherungsset mit zwei Karabinern. So gerüstet folgte ich nun einem matschigen Pfad auf einer Felszunge zu der felsigen Steilwand, an der ich mich fast nur in der Traverse entlang bewegen würde. Unter mir so einige Meter luftiges Nichts und wenn ich mich umdrehte die tollste, spektakuläre Sicht ins Tal! Gut, dass sich die Wolken verzogen hatten, die Aussichten waren wunderschön! 

 

Das Sicherungsseil und die Fußtritte der Strecke sind hier gut erkennbar :)

Ich hatte eine sehr langsame Familie mit einem recht jungen Kind vor mir, so dass ich viel Zeit hatte mir die Aussichten anzuschauen. Außerdem gaben sie mir auch die Sicherheit nicht alleine hier zu sein, was mir etwas die Nerven nahm. Denn was ich hier machte, war schon anders als Klettern oder Bouldern und erst recht als Wandern. Da musste ich mich erst einmal dran gewöhnen! Auch wenn es ungewohnt war, machte es super viel Spaß! In diesem Klettersteig waren auch zwei ungewöhnliche Stellen eingebaut: einmal konnte man eine Seilbahn nutzen, um einen etwa 5m breiten Spalt im Felsen zu überfliegen (natürlich machte ich das mit!) und dann musste man eine Hängebrücke überqueren. Es waren also nicht nur Stahltritte in der Wand, die man entlang stapfte.. 

 

Kurz vor dem Ende der Strecke – die Familie hatte mich an einer geeigneten Stelle überholen lassen – ging es dann noch einmal hoch und man musste sich seine Griffe am Felsen suchen. Das machte sogar noch mehr Spaß als das Entlanghangeln am Stahlseil. Und so saß ich kurze Zeit später auf einem kleinen Gipfel und starrte minutenlang in das grüne Tal unter mir.

 





Was für ein toller Ausflug! Und es kam noch besser! Ich traf nämlich zufällig als ich mich wieder „auszog“ oben ein Mädel – Christina – das sich gerade fertig machte, um den Klettersteig zu gehen. Sie war auch alleine und wir kamen ins Gespräch. Da sie auch noch ein paar Tage bleiben wollte und nichts vorhatte, tauschten wir Nummern aus und verabredeten uns für den Abend.

 

Aus dieser Verabredung wurden ein paar lustige Tage zusammen und eine neue Freundschaft entwickelte sich!

Am nächsten Tag hatten wir uns vormittags für den Grünstein Klettersteig verabredet, der etwa eine kurze Stunde Fußmarsch vom Königssee entfernt begann.

 

Isidorsteig:

Schwierigkeit: B – C

Wandhöhe: 400 m

Klettersteiglänge: 670 m
Gesamtdauer: 4 - 5 Std.
Durchstieg: 2 - 3 Std.
Einstiegshöhe: 900 m
Ausstiegshöhe: 1.303 m
Exposition: Süd

 

Kurz nach dem Einstieg ging es schon heftig los, recht steiler Fels und keine zusätzlichen Tritte in der Wand. Einzige Möglichkeit sich festzuhalten waren die Spalten im Fels und das Stahlband, das sich fast senkrecht hochwand. Es war schattig und teilweise waren die Felsen noch nass, die Sonne hatte noch keine Möglichkeit gehabt die Steine zu trocknen. Rutschig.

Eine Herausforderung, die nach den ersten paar harten Minuten unglaublich Spaß machte. Der Rest der Strecke war abwechselnd einigermaßen leicht und dann wieder schwer. Steilere Abschnitte mit senkrechten Aufstiegen und einigen Passagen im Überhang wechselten sich mit Laufabschnitten in der Traverse ab. Wir kamen flott voran ohne uns großartig zu beeilen, denn es wurde auch ziemlich warm. Die Sonne knallte auf die Südwand und wir kletterten ohne Schatten und Wind mehrere Stunden bergauf.

Es gab eine unglaublich coole Fotostelle, in der man mit einem großen Schritt über das luftige Nichts eine Spalte überquerte und in diese Spalte konnte man für das Foto gesichert hineinklettern, so dass ich das natürlich machte. Leider habe ich kein Foto von mir, aber ich sah bestimmt noch cooler aus. ;) Badass. Mindestens.



 

Die letzte Stunde stieg man eigentlich nur noch auf fast durchgängig ungesicherten Pfaden hinauf zum eigentlichen Gipfel. Wandern, nicht Klettern. Es war körperlich tatsächlich der anstrengendste Teil. :D

Kurze Pause am Gipfelkreuz, das gut besucht war, denn ein normaler Wanderweg führte von der anderen Seite gefahrlos auf den Grünstein. Diesen nahmen wir dann auch hinunter und machten erst einmal eine kleine Radler und Kaiserschmarrn Pause in der nächsten Hütte.

 

(war noch auf halber Höhe oder so)

Da wir auf dem Rückweg ins Dorf irgendwie falsch abbogen und dadurch einen großen Umweg gehen mussten, kamen wir allerdings zufällig an dem Haus von Alex vorbei, so dass ich meine geliehene Ausrüstung bei ihm abgeben konnte. Es gab zwar noch einen Klettersteig hier in der Gegend, aber Christina war heute ohne Handschuhe geklettert und hatte sich an den Stahlseilen mehr als 10 Blasen an den Händen geholt. Noch einmal klettern zu gehen war für sie keine Option. Gut, dass ich mir im Voraus die Handschuhe besorgt hatte – sie würden sich in den nächsten Wochen noch einige Male als äußerst nützlich erweisen. :)

 

Canyoning in der Almbachklamm:

Ich war am nächsten Tag aber nicht mehr traurig, dass es nicht zum Klettern ging, denn wir hatten es spontan geschafft eine Canyoningtour zu buchen!

Mittags in der warmen Sonne – die letzte Regenwoche war komplett vergessen – lernten wir unsere Gruppe kennen und bekamen unsere Ausrüstung: extra dicke Neoprenanzüge, Neoprensocken, Schuhe, Klettergurte mit Matte unterm Hintern (damit der Neoprenanzug auf den Felsen nicht so schnell verschleißt) und ein Helm. Ich schwitzte schon etwa drei Sekunden nachdem ich in die Klamotten geschlüpft war in der Sommerhitze.

 

Bis gestern hatte ich noch nie von diesem verrückten Sport gehört.. also für alle, die genauso ahnungslos sind wie ich: Canyoning (oder Schluchtenwandern - am besten finde ich jedoch das Wort „Schluchteln“ – danke Österreich, falls ihr das erfunden haben solltet^^) bezeichnet das Durchqueren eines Canyons auf vielfältige Art und Weise. Abseilen, Springen, Schwimmen, Klettern, Rutschen, etc. Alles, was einen irgendwie von oben nach unten bringt. Klingt doch nach Spaß!

Da es wohl in Deutschland keine geeigneten Schluchten gab, fuhren wir rüber nach Österreich in die Almbachklamm. Hinter einer Staumauer ging es los und wir watschelten sehr elegant in unseren Raumanzügen über die Felsen zum ersten Absprungpunkt. 3m ins eiskalte Wasser. Noch kurz die Sprungtechnik erklärt und dann hüpften schon die ersten los. Ich bin ja echt kein Fan von Sprüngen ins Wasser und hätte mich lieber die ganze Zeit irgendwo abgeseilt, aber es ging nicht ganz nach meinen Wünschen. Also kurze Überwindung und rein ins Wasser. Eisiger Schock, eben noch geschwitzt, plötzlich zog sich alles zusammen. Kurze Schnappatmung und dann war es wieder okay. Erfrischend.

 


Die nächsten Stunden schwammen wir durch das kalte Wasser, sprangen von Felsen und rutschten in klare Becken. Ich traute mich nicht mehr als etwa 4,5m zu springen, andere hüpften noch bei 7m ins Wasser. Das gute an dem Neoprenanzug war, dass er wie eine Schwimmweste funktionierte und man wie eine Boje wieder aus dem Wasser ploppte. Das machte das Schwimmen allerdings etwas schwierig, denn irgendwie lag man eher auf dem Wasser als in ihm.

Es machte Spaß! Das Licht fiel wunderschön in goldenen Strahlen in die Schlucht und beleuchtete die Felsen. Wir waren alleine in der Natur und sahen mit jeder kleinen Biegung einen neuen Teil der Klamm. Als dann jedoch die Sonne hinter den hohen Seitenwänden verschwand, wurde es schnell kalt. Das Wasser kühlte den Körper aus und jedes Mal, wenn wieder ein Schwall eiskalten Wassers in den Rückenbereich des Anzugs lief, bekam ich Gänsehaut. In den letzten 20 Minuten zitterte ich vor Kälte, aber es war noch auszuhalten und unser Guide meinte scherzhaft: „Frauen mögen diese Touren immer besonders gerne, da man nicht viel tut und wegen der Kälte trotzdem viele Kalorien verbrennt!“ Na supi, immerhin. :P

Ich blieb dann noch einmal in einem Baumstamm stecken und dann waren wir auch schon wieder draußen. Kalt, aber glücklich. Es war eine lustige Gruppe gewesen! Trotz warmer, trockener Klamotten wurde mir jedoch den ganzen Abend nicht mehr wirklich warm, mein Körper war komplett heruntergekühlt.

 




Wanderung zum Hohen Göll:

Gesamtdauer: 10 Std.
Höhe Start: 1200 m [1300 Höhenmeter hoch]

Gipfelhöhe: etwa 2500 m
Höhe Ende: 650 m [1850 Höhenmeter runter]

 

Über Nacht hatte sich das Wetter mal wieder schlagartig geändert. Es regnete und die Luft war direkt 10°C kühler. Als ich am Morgen aufwachte, waren die Berge wieder wolkenverhangen..

Christina würde heute wieder nach Hause aufbrechen und so entschied ich mich dafür erst einmal einkaufen zu gehen in der Stadt. Plötzlich war die Sonne jedoch wieder da und ich beschloss doch noch wandern zu gehen. Um mir die langweiligen ersten 500 Höhenmeter zu sparen, fuhr ich mit der Jennerbahn zur Mittelstation und ging dann rüber zum Parkplatz, von dem der Weg losgehen sollte. Zunächst durch den Wald, dann landete man in einer Schneise umgeben von hohen, steilen Felswänden. Leider war dieser Teil ein einziges Geröllfeld, auf dem ich große Probleme hatte den Weg überhaupt zu finden. Oft folgte ich Spuren und merkte dann, dass das falsch sein musste. Ich sah keine roten Punkte mehr auf den Felsen, die den Pfad markieren sollten. Mit jedem zweiten Schritt rutschte ich einen Schritt wieder zurück. Es war super ätzend. 

Fast durch das Geröllfeld geschafft..

Rote Punkte wieder gefunden..

 

Als ich endlich aus dieser Steinlawine herauskam, fing es an zu regnen. Ich beschloss jedoch weiter zu gehen und spannte meinen Schirm auf. Es ging nun über grasbewachsene Stellen zwischen größeren Felsblöcken weiter hoch, ein paar Büsche wuchsen hier und manchmal wurde es einigermaßen steil. Meistens reichte es, dass ich mich mit einer Hand festhielt und hoch zog, doch an zwei oder drei Stellen musste ich den Schirm vorwerfen, um hinterher klettern zu können.

Es war wild und einsam hier oben. Rau. Mir begegneten in den fast 10 Stunden, die ich heute unterwegs war, exakt fünf andere Menschen und zwar alle schon recht früh.



 

Es wurde noch ungemütlicher als noch kalter Wind dazu kam und die Wolken sich einfach nicht verziehen wollten. Immer noch ging ich hoch. Ich kam an ersten kleinen Schneehaufen vorbei, die sich in tiefen Gruben über den Sommer gerettet hatten, dann kam ein letztes kleines Plateau mit tollen Ausblicken auf das Tal in den Wolken und dann war da plötzlich eine weiße Schneefläche. Der Weg führte mitten durch. Huch. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber da der Schnee zwischen den Bergen in einer großen Kuhle lag, sah es auch nicht allzu gefährlich aus. Ich sagte vorsichtshalber noch ein paar Leuten bei WhatsApp wo ich mich befand – man kann ja nie wissen.


Ja, der Weg führte tatsächlich über diese verrückt aussehenden Felsbrocken. Großes Indianerehrenwort.

 

Es war auch gar nicht so einfach dem Weg hier zu folgen, denn manche der Wegweiser waren einfach irgendwo unter dem Schnee versteckt. Aber ich fand den Weg und konnte schon einige Zeit später den letzten Anstieg in Angriff nehmen. Etwas mehr als eine halbe Stunde zum ersten Gipfel mit Gipfelkreuz, knapp 2500m hoch. Die letzten zwei Stunden hatte sich die Sonne immer wieder blicken lassen, den Schnee glitzern lassen und meinen Körper warm angestrahlt. Wundervoll nach dem Regen und der kalten Luft zuvor. Dadurch, dass sich auch viele der Wolken verzogen hatten, konnte ich oben eine tolle Aussicht genießen, denn der Hohe Göll ist hier einer der höchsten Berge.

Eigentlich wollte ich noch zum richtige Gipfel weiter laufen, aber dazu ging es über einen Bergkamm, auf dem ein schräges Schneebrett lag und als vollkommen unerfahrenes Flachlandkind, konnte ich nicht einschätzen wie sicher das war. Also drehte ich um.

 

Weg zum richtigen Gipfel


Mini Gipfel

Und damit begann die eigentliche Tortur. Ich zog noch meine Kletterhandschuhe über, um schneller an den scharfkantigen Felsen hinab klettern zu können und dann ging es runter. Der Kletterteil hier oben war noch nett und machte Spaß, aber je weiter ich runter kam, desto müder wurde ich. Das Geröllfeld – auch wenn ich diesmal den richtigen Pfad fand, da die Wegweiserpunkte von oben besser zu erkennen waren – wurde eine kleine Schlitterpartie. Runter ist das immer sehr viel unlustiger als hoch. Und dann war es natürlich schon so spät, dass der letzte Lift ins Tal schon vor Stunden abgefahren war. Ich musste also die zusätzlichen 500 Höhenmeter auch noch zu Fuß machen. Ich starb. Mein Kopf redete im Takt meiner Schritte mit mir „Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr.“ Motivationscoach werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr. Ich war kurz davor mich einfach auf die Straße zu setzen. Aber irgendwie schaffte ich es doch zurück, saß minutenlang auf dem Bett, bevor ich überhaupt meine Schuhe auszog und der Rest des Abends ist irgendwie verwaschen in meiner Erinnerung. Ich glaube ich ging früh schlafen. :D

 



Am nächsten Tag verließ ich einfach das Zimmer nicht und pflegte den Muskelkater meines Lebens. :)

 

Natürlich taten meine Beine am Tag darauf immer noch weh, aber ich beschloss das zu ignorieren und eine andere kleine Wanderung zu machen.

 

Wanderung zum Hohen Brett:

Gesamtdauer: 3 Std.
Höhe Start / Ende: 1780 m [640 Höhenmeter hoch u. wieder runter]

Gipfelhöhe: etwa 2340 m

Ich war faul, gönnte mir die Gondel bis ganz nach oben und musste somit nicht einmal 700 Höhenmeter hinauf und wieder runter stiefeln. Die Wege waren auch deutlich benutzter und besser besucht. Es war tolles Wetter und mir kam es vor wie auf einer Autobahn. Wo kamen die ganzen Menschen her? Kann man die irgendwie weg machen?

Der Gipfel war erstaunlich langweilig, man musste keinen Schnee überqueren und das Klettern würde ich nicht Klettern nennen wollen. Vielleicht Kraxeln, welches übrigens eins meiner Lieblingswörter ist. :)

Oben konnte man super entspannen, die Aussicht genießen und den Dohlen bei ihren Flugkunststücken zusehen. Ich blieb eine Zeit lang dort oben ein paar Meter neben dem Gipfelkreuz, da ich eh nichts anderes mehr vorhatte und belauschte andere Wanderer.

 



Ich hatte meinen Aufenthalt am Königssee noch einmal verlängert, weil es mir einfach so gut hier gefiel, das Zimmer so süß war und ich echt super schlief und weil Taddy, die ich noch besuchen wollte, erst in ein paar Tagen wieder da wäre. So passte es perfekt.

Ich musste mir also noch ein paar Aktivitäten für die nächsten Tage überlegen und so ging ich erst einmal Souvenirs und ein paar Postkarten shoppen. Irgendwie war mir das allerdings noch nicht genug Bewegung und so schlenderte ich bei herrlichstem Sommerwetter durch das Dorf, holte mir ein Eis, ging am Königssee vorbei und einen kleinen Wanderweg zu einem Aussichtspunkt, der sich „Malerwinkel“ nannte. Hier hatte man eine so schöne Aussicht auf den See und die Alpen, die sich dahinter auftürmten, dass viele Maler diesen Winkel gemalt hatten. ;) Es war so warm, dass ich runter zum Ufer stieg und in einer kleinen Bucht in meiner Unterwäsche baden ging. Ich quatschte mit zwei Mädels aus Hamburg, die hier ihre Mittagspause auf dem Weg runter nach Slowenien machten.

 

Malerwinkel




Der 5km Rundweg über den Malerwinkel schien sich irgendwie super als Joggingstrecke anzubieten und so rannte ich abends den Teil noch einmal und hielt auch nicht für den tollen Sonnenuntergang über dem Grünstein an. Hach, es war so wunderschön hier! :) Und falls sich irgendjemand von euch Flachlandpfeifen fragt, ob Joggen in den Bergen anstrengender ist: Ja.

 

Ich fuhr an meinem letzten Tag tatsächlich mal nach Berchtesgaden rein und schaute mir die Innenstadt mit ein paar hübschen Kirchen und generell sehr netten Straßen an. Im Hintergrund erhob sich der Watzmann, den ich gerne irgendwann einmal besteigen würde!

Weil dieser kleine Spaziergang mich natürlich nicht ausgepowert hatte, lief ich noch einmal in Richtung Malerwinkel los, bog aber irgendwann zu einem anderen Aussichtspunkt ab, der Rabenwand. Danach wanderte ich noch einmal zum Ufer des Königssees und schaute mir die wundervolle Kulisse an. Ich war mir nicht sicher ob ich den funkelnden Sonnenschein oder die mystischen Wolkenschleier besser fand. Wundervoller See!

 



Und dann musste wieder gepackt werden. Irgendwie hatte sich dieses Zimmer fast wie ein Zuhause angefühlt. :) Danke, Gästehaus Weinrebe <3

Montag, 21. September 2020

Freundschaften und Heimatwunder

 

Freunde sind wie Sterne: Du siehst sie nicht immer, aber sie sind immer für dich da.

- Zitat von Unbekannt

 

Eine der faszinierendsten Sachen am Reisen ist eigentlich wie schnell man Freundschaften schließt. Man besucht so viele neue und wundervolle Orte, aber die Tage, die einem am stärksten in Erinnerung bleiben, sind die Tage, die mit Freunden verbracht wurden. Mit Menschen, die entweder für kurze Zeit zu Weggefährten werden oder innerhalb von Stunden zu unglaublich guten Freunden. Menschen, zu denen sich starke Bande formen, auch wenn man nur sehr wenig Zeit hat, um sich kennen zu lernen. Aber es ist eine umso intensivere Zeit und so scheint man schneller zu dem Wesen eines Menschen durchzudringen, als bei den vorsichtigen Begegnungen in Deutschland.

Ich habe zwar bisher noch nicht viele meiner Reisefreunde wieder getroffen, aber mit erstaunlich vielen halte ich immer noch Kontakt. Entweder über WhatsApp oder Instagram. Menschen, die ich vor Jahren oder erst vor ein paar Monaten kennen gelernt habe. Man schreibt sich gelegentlich, man hält sich auf dem Laufenden.

Verrückterweise hat es auch nie richtig geklappt meine Iguazu-Crew wieder zu treffen, obwohl die drei Mädels auch aus Deutschland kommen: Sophia, Caro und Annika. Sophia war einmal geschäftlich in Bremen gewesen, so dass wir uns für einen Abend hatten treffen können, aber das war es auch schon gewesen. Drei unglaubliche Tage in Argentinien und Brasilien am Weltwunder-Wasserfall und dann fünf Jahre ohne dass ein Termin in Deutschland zustande kam. Aber jetzt hatte es geklappt. Ich war flexibel und wollte eh in den Süden Deutschlands, weil ich dort noch nie gewesen bin, bis auf ein paar kurze Städtetrips nach Stuttgart, München oder Nürnberg.

 

Annika, ich und Sophia 2020

 
Ich, Caro, Annika, Martin und Sophia 2015

11. Juni bis 15. Juni 2020

Meine erste Station auf dieser leicht improvisierten Corona-Reise war also Marburg - ein altes, süßes, kleines Studentenstädtchen in Mittelhessen, in dem Annika wohnte. Sie holte mich vom Bahnhof ab - lange nicht gesehen und doch sofort wiedererkannt. ;) Es war als hätte es die letzten Jahre nicht gegeben. Wir redeten sofort über alles Mögliche und lachten viel zu viel. Ich lernte ihre verrückte und super nette WG - inklusive WG-Katze - kennen und dann schauten wir uns das Städtchen an. Eine wundervolle historische Altstadt, die im zweiten Weltkrieg nicht zerstört worden war, erstreckte sich an einer Bergflanke. Über der Stadt thronte das Landgrafenschloss, von dem man einen tollen Blick auf die darunterliegenden Stadtteile hat. Wir schlenderten durch süße kleine Gassen, stiegen Treppen hinauf und schauten uns kurz die berühmte Elisabethkirche an, die wohl auch als Vorbild für den Kölner Dom gedient hatte. Was ich auch total nicht auf dem Schirm gehabt hatte: Es war Feiertag hier in Hessen. Fronleichnam. Auf dem Markplatz lagen Blumen gestreut und als vollkommen unwissende Atheisten, die wir sind, mussten Annika und ich erst einmal googeln was denn so passiert war an diesem Tag und wieso man ihn feierte..

In Marburg befanden wir uns dann auch noch in einer "märchenhaften" Stadt mit vielen kleinen Figuren und Statuen zu deutschen und internationalen Märchen. Mal versteckt, mal ganz offensichtlich ein Teil der Stadt. Außerdem konnte man kleine Auszüge aus berühmten Büchern lesen, festgehalten auf einer offen aufgeschlagenen Seite einer Metallskulptur des Buches: Der kleine Hobbit, Sterntaler, ...

Es war eine schöne Stadt mit vielen jungen Menschen auf den Straßen, auch wenn wohl etliche aus ihren WGs zeitweise wieder zurück in die Heimat gezogen waren während der Corona-Zeit. Vorlesungen fanden, wenn überhaupt, ja nur online statt. Aber man konnte überall den Einfluss der Studenten sehen: Viele kleine Kneipen und Bars und Plakate oder bemalte Stoffe, die politische Statements abbildeten und aus den Fenstern hingen. Mein Lieblingsspruch war jedoch weniger politisch und zierte eine überwucherte Fassade eines kleinen, verwunschenen Häuschens: "Wir sind die Enkelinnen der Hexen, die ihr nicht verbrennen konntet." Und irgendwie glaubte man das auch. Mir begegneten erstaunlich vielen Katzen in den Gassen und ja, auch in der WG - alle waren schwarz. Zufall? Ich denke nicht. :P

 





Am nächsten Tage fuhren Annika und ich dann zusammen runter nach Schwäbisch Hall zu Sophia und ihren Eltern. Zu Fuß wohnten die beiden Familien etwa 3 Minuten auseinander. Wie äußerst praktisch! :) Ich wohnte zunächst zwei Nächte bei Annikas Eltern, dann eine Nacht bei Sophia. Und obwohl ich ein wenig brauchte, um alle dort einigermaßen zu verstehen (es ist zu süß wie ihr redet, Kinder!), fühlte ich mich mega willkommen! Einfach so liebe Familien und so eine tolle Zeit!

Wir entspannten uns bei plötzlich schönstem Sonnenschein und warmen Frühsommertemperaturen am See, schauten uns Schwäbisch Hall an und saßen lange im Garten, um zu reden.

Schwäbisch Hall ist eine Stadt, die zwar irgendwie jeder kennt (als wären wir nicht alle vollkommen werbegeschädigt), zu der man aber trotzdem nicht unbedingt zum Urlaubmachen hinfahren würde. Was echt traurig ist, denn die Stadt war super schön! Rote Dächer, alte Gassen und ein Fluss, den ein paar urige, überdachte Holzbrücken überspannten. Dann stolperten wir über einen winzigen Weingarten neben einer Infostelle über Salzabbau, der die Stadt einst reich gemacht hatte. Eine entspannte Kleinstadt, die einfach ein zufriedenes Gefühl von Sauberkeit und Ruhe vermittelte. Und trotzdem genug Sehenswürdigkeiten zum Anschauen bot. Wir schafften es nicht einmal alle anzuschauen, weil wir dann in einem Café am Park versackten, etwas Leckeres aßen und tranken und einfach für immer redeten. Es gab keine schönere Atmosphäre, um uns alle auf den neuesten Stand unserer Leben zu bringen. Ich hoffe nur, dass nicht wieder 5 Jahre vergehen, bis wir uns wieder treffen! ;)






 

Am letzten Tag war das Wetter wieder schlecht, aber mit Regenschirmen bewaffnet, konnten Sophia und ich trotzdem noch durch einen ruhigen, kleinen Wald spazieren. Mein in Myanmar gekaufter Regenschirm ist auch in Deutschland ein äußerst wichtiges Reiseaccessoire! :P Danach belohnten wir uns mit dem Rest von Sophias Familie mit einem großen Stück Torte im Café mit den leckersten Torten und Kuchen. Es ist immer gut, wenn man Leute besucht, die kennen die ganzen guten Plätze zum Essen, Entspannen und auch Anschauen.

Glücklich mit dem ersten Teil meiner kleinen Deutschlandreise, musste ich nun langsam meine nächsten Schritte planen. Sophia lud mich natürlich ein noch eine Nacht zu bleiben, da sie eh im Homeoffice arbeitete. Und ich dachte auch wirklich darüber nach, aber so sehr ich auch einfach entspannt dort bleiben wollte, wo es die besten Menschen und gutes Essen und noch ein paar unbesichtigte Sehenswürdigkeiten und Kuriositäten, wie z.B. eines der teuersten Gemälde in einem deutschen Museum, zu sehen gab, irgendwann muss ich ja doch fahren und ich hatte nur noch 5 Tage, um pünktlich zum Wochenende in der hintersten Ecke Deutschlands zu sein, in Berchtesgaden.

 

15. Juni bis 19. Juni 2020

Also informierte ich mich und buchte den Zug nach Füssen, wo ich eine nette Unterkunft gefunden hatte mit relativ billigem Einzelzimmer, aber Jugendherbergen-ähnlich, so dass es auch eine moderne Küche gab, was mir sehr gefiel. Dann muss ich nicht so oft Essen gehen. :)

Top, somit war das nächste Ziel Füssen und damit Schloss Neuschwanstein und Schloss Hohenschwangau. Wenn man schon mal im Süden ist, muss man natürlich diese Highlights mitnehmen! Ich freute mich schon sehr! Und natürlich gab es dort auch Berge! Wie wundervoll!

Füssen erreichte ich nach einer recht langen Zugfahrt mit mehreren Umstiegsstationen, aber ohne Verspätung, in wundervoll einladendem, wolkigem Nieselwetter. Bisher tat immerhin die Deutsche Bahn (und alle lokalen Unternehmen) wofür man sie bezahlte, das Wetter dagegen tat sich noch etwas schwer, aber es bekam ja auch kein Geld von mir. Etwas fies war nur, dass in Norddeutschland echt gutes Wetter war und alle Leute anfingen Strandbilder zu posten. :D

Aber gut, kann man nicht ändern und so plante ich abends die nächsten Tage und beschloss auf jeden Fall bis Donnerstag zu bleiben, denn man konnte hier genug unternehmen und mir gefiel die Unterkunft.

Und so fuhr ich am nächsten Tag zur Tegelbergbahn, um damit in die Berge zu düsen und dort oben wandern zu gehen. Keine fünf Minuten später stand ich in einer geschlossenen Wolkendecke und musste etwas lachen. Die Sicht war absolut bescheiden. Somit war ich natürlich auch komplett alleine, als ich auf den Gipfel des Branderschrofen wanderte. Erst ein netter Wanderpfad, dann ging es plötzlich über steilen Fels nach oben. Stahlbänder erleichterten den Aufstieg und solange ich das Seil nicht los ließ, fühlte ich mich auch sicher. Vielleicht half es auch, dass ich dank der Wolken gar nicht sehen konnte wie weit und steil es an diesen Stellen bergab ging. Überrascht fiel mir etwas auf: Ich war auf etwa 1800m Höhe und ich merkte schon hier, dass ich schneller atmete. Ich armes Flachlandkind.


Selbstauslöser..

..oder skeptische Selfiekunst?!

 

Da man eh nichts sehen konnte, wanderte ich also munter weiter mit meinem Regenschirm in die Berge hinein. Ich begegnete maximal drei Leuten, die schnell wieder im Nebel verschwanden. Also stieg ich auf die etwas einfacher zu erklimmende Ahornspitze und dann ging es weiter hinunter in ein tolles Almgebiet.



Saftig grüne Wiesen, gesprenkelt mit bunten Farbtupfern der Wildblumen, die dort wuchsen und im Hintergrund die dunklen Silhouetten der Nadelbäume vor manchmal aus den Wolkenschwaden herausschimmernden Felsformationen. Was für eine magische, geisterhafte Welt. Wäre vor mir ein Irrlicht aufgetaucht, hätte mich das kaum gewundert und ich wäre ihm ohne zu zögern sofort gefolgt. Vielleicht war es hier sogar schöner im Regen als es im Sonnenschein je sein könnte.



 

Da das Gras natürlich klitschnass war, dauerte es auch nicht lange, bevor mein Hosenboden Bekanntschaft mit dem matschigen Weg machte. Juhu. Na, immerhin fiel ich weich, was man etwa eine halbe Stunde später nicht sagen konnte, als ich auf einer absolut nicht trittsicheren Holzbrücke ausrutschte und unangenehm auf meinem Steißbein landete. Es ging so schnell, ich bekam nicht mal mit, dass ich fiel.

Der Rest des Weges führte leider an einer Forststraße entlang, die zwar genauso leer war, wie der Rest der Berge, aber halt auch nicht wahnsinnig schön. Ich war also froh, als ich den Teil endlich hinter mir hatte und plötzlich das Schloss Neuschwanstein vor mir auftauchte! Ein verwunschener Wald, der zu einem Märchenschloss führte. Was für eine verrückte Welt war dies? Ich besuchte die berühmte Marienbrücke, von der man den tollsten Blick auf das Schloss hatte. Coronabedingt musste man hier eine Maske tragen, aber es war nicht wirklich voll, denn die Horden von asiatischen Reisegruppen, die sonst diese Gegend belagern sollten, waren nicht da. Nur ein paar deutsche Touristen, die Heimaturlaub machten, ein paar junge Paare und ein paar Familien. Naja, und ich.


 

Ich ging durch eine hübsche Schlucht weiter hinunter, ließ aber die beiden Schlösser erst einmal aus und ging an einem ruhig zwischen den Bergen gelegenen See vorbei über Wiesen zurück nach Füssen. Ich war über 7 Stunden unterwegs gewesen, hatte nicht wirklich eine Pause gemacht und dabei 23km zurückgelegt. Erstmal Beine hochlegen!


 

Eigentlich wollte ich es am nächsten Tag etwas ruhiger angehen.. aus Gründen.. und mir entspannt die Schlösser anschauen, aber ich bekam nur noch für den übernächsten Tag einen Termin für eine Führung im Schloss und so ging ich halt wieder bei mäßig gutem Wetter in die Berge. (Jannis ist nun im September dort unterwegs gewesen und hatte erzählt, dass die Termine für Schlossführungen schon Wochen oder sogar Monate im Voraus ausgebucht sind, da die Gruppengrößen ja immer noch reduziert waren. Ich hatte also wohl doch ziemlich Glück gehabt, dass ich überhaupt so spontan einen Termin hatte buchen können.) Immerhin regnete es nicht und auch die Sonne zeigte sich. Allerdings nur im Tal. Sobald ich mit der Breitenbergbahn nach oben fuhr, verschwand ich wieder in einer geschlossenen, grauen Wolkendecke. Hurra. Das kannte ich ja schon, also los.

Die Berge hier sahen anders aus, weite Almen mit Kühen, deren große Glocken schon von weitem zu hören waren. Durch die dicke Watteschicht der Wolken wurden die Klänge jedoch seltsam stumpf über die Fläche getragen. Zumindest die Gegend rund um die Bergstation war sehr offen, auch wenn die Sicht nicht besonders gut war.

Ich musste kurz nach dem Start meinen Plan etwas abändern, da der Weg, den ich auf einen Gipfel nehmen wollte, gesperrt war. Ein ziemlich neu aussehendes Schild informierte einen über einen Steinschlag und ich beschloss diesem zu glauben. Also stapfte ich in die andere Richtung los, denn laut Karte sollte man trotzdem auf den Gipfel steigen können, nur halt von der anderen Seite. Und in diesem Fall musste man auch denselben Weg wieder zurück und konnte keinen Rundweg gehen. Aber was soll's. Also machte ich mich auf den Weg hinein in die Berge. Gelegentlich gab es nun auch Nadelbäume und die Wiesen wurden felsiger je höher ich kam. Einzelne Wolken hingen an den steinernen Bergflanken - es war wieder wunderschön!


 

Es war Mittag als ich an einer kleinen Hütte vorbei kam, die auch Essen anbot, aber da von dort der Weg auf den Gipfel startete, beschloss ich diesen zunächst abzuhaken und dann zum Essen einzukehren. Der letzte Rest des Weges war auf drahtseilgesichtertem Fels, den ich flink hinauf stieg.

Gipfel, Aggenstein, 1987m.

Ich hatte dann auch Glück, dass ich alleine oben war und die Aussichten genießen konnte, denn für kurze Zeit riss die graue Wolkendecke auf und offenbarte weit unten das grüne Tal. Auf der Felsenstrecke überholte ich ein paar Leute, die wirklich nicht aussahen, als sollten sie in den Bergen herumkraxeln, aber nun gut, sie überlebten.




Mit den ersten großen Regentropfen kam ich dann wieder bei der Hütte an und bestellte mir warme Suppe und etwas zu trinken. Ich wollte den Regen abwarten. Leider entpuppte sich dieser jedoch als Dauerregen und so musste ich mich einige Zeit später mit Regenschirm auf den Weg ins Tal machen. Den groben Plan noch ein paar weitere Gipfel mitzunehmen, hatte ich direkt wieder verworfen. Es dauerte immerhin noch ein paar Stunden bis ich wieder unten war und je rutschiger der Boden wurde desto weniger lustig wurde die Wanderung in den Bergen.


 

Mein Glück schien mich heute irgendwie verlassen zu haben, denn ich kam passenderweise genau so unten an der Bushaltestelle wieder an, dass ich eine Stunde auf den nächsten Bus warten durfte. Im Regen. Ich googelte Alternativen, aber jeder frühere Bus fuhr vom nächsten Dorf und das war 6km entfernt. Aber dann hatte ich den rettenden Einfall, ging zur Straße und streckte meinen Daumen heraus. Und mein Glück war wieder da! Direkt das zweite Auto hielt an und nahm mich mit. :) Der nette, junge Mann arbeitete in Österreich und war auf dem Nachhauseweg und stellte nach ein paar Minuten die spannende Frage: „Ist es eigentlich erlaubt in dieser Zeit Anhalter mitzunehmen?“ Corona und so. Wir wussten es beide nicht und ich hatte auch überhaupt nicht mehr daran gedacht gehabt. Upsi.

Aber ich kam früher nach Hause zurück, war nicht komplett durchgefroren - was auch ganz nett war - und gönnte mir erstmal eine lange Dusche.

 


Und dann war endlich der entspannte Chilltag da, an dem ich mir nur die beiden Schlösser etwas genauer anschauen wollte. Ich schlief etwas länger und machte mir einen entspannten Vormittag, denn die Führung durch das Schloss Hohenschwangau startete erst gegen Mittag. Da ich etwas zu früh oben beim Schloss war, konnte ich noch ein wenig durch einen kleinen Wald oberhalb des Sees wandern. Ruhige, alte Bäume, Ruinen auf einem kleinen Hügel inmitten des Waldes, die langsam von der Natur zurückerobert werden. Schön.

Dann fing die Führung an, die wegen der angespannten Corona-Situation nur in ganz kleinen Gruppen stattfinden durfte. Ich beschwerte mich natürlich nicht darüber. ;) Keine Busladungen voll asiatischer Touristen und eine familiäre Führung mit netten Leuten. Könnte schlimmer sein. Allerdings durfte man im gesamten Inneren des Schlosses keine Fotos machen, was mich kurz etwas ärgerte, aber dann sah ich das Positive daran: Ich würde mich viel besser auf die Führung, den Inhalt und meine Umgebung konzentrieren können!

Ich hatte vor einiger Zeit gelesen, dass man sich Dinge, von denen man Fotos macht, nicht so gut merkt. Und als ich bei mir selbst darauf achtete, bestätigte sich das auch. Ich versuche mir Sachen nun etwas genauer anzuschauen, darüber nachzudenken und bewusster aufzunehmen, auch wenn ich vor habe ein Foto davon zu machen. Ob das hilft, weiß ich nicht genau, aber ich hoffe es. :) Schon verrückt was das Gehirn so macht mit einem.

Ich hatte absolut Null Vorwissen über die bayrische Königsfamilie und saugte daher alles über das Leben von Königin Marie, die Wandern in den Bergen liebte und einige Gipfel als erste Frau bestieg, und ihre beiden Söhne auf. Ihr älterer Sohn war der spätere Märchenkönig Ludwig II, der auch das Schloss Neuschwanstein erbauen ließ, das man aus seinen Schlafzimmerfenstern sehen konnte. Faszinierend war, dass das Schloss Hohenschwangau noch immer im Besitz der Familie Wittelsbach ist, auch wenn diese es schon seit langer Zeit in ein Museum umgebaut hat. Hier gab es auch den ersten Fahrstuhl Bayerns. Die ausgestellten Stücke und das Mobiliar sind jedoch original und waren von der Familie in Benutzung gewesen. Es war super spannend und erstaunlich kurzweilig!

 

Einziges Foto, das wir machen durften: Blick aus dem Fenster auf den romantischen See vor der Bergkulisse. Wenn man bei so einer Sicht nicht zum Träumer wird, weiß ich auch nicht!

 

Nach dem Ende der Tour konnten wir uns noch die schönen Gärten anschauen und das in der Sonne leuchtende Orange der Schlossmauern bewundern. Wieviel schöner kann Schloss Neuschwanstein sein, wenn Hohenschwangau schon so wunderschön ist?!



 

Um das herauszufinden, lief ich zu den weiß leuchtenden Mauern mit den verspielten Türmchen auf dem nächsten Hügel und schaute mir das Schloss Neuschwanstein noch einmal von Nahem an. Irgendwie hatte ich erwartet, dass es kleiner wäre, warum auch immer. Eindrucksvoll und märchenhaft! Wo ist die Disney-Prinzessin und wo kann ich den Drachen besiegen gehen, bitte?

Es war auch gar nicht so voll, denn mein Verbündeter, der Pandemie-Virus, ließ nur einen winzigen Bruchteil der über 1,5 Millionen jährlichen Touristen hier erscheinen. Die Hotels hatten gerade erst wieder öffnen dürfen und Ferien waren auch noch nicht. Hurra! Wikipedia sagt dazu:

„Der Nimbus des „Märchenkönigs“ übt offensichtlich auf die Umwelt eine derartige Faszination aus, dass jeder Versuch, die Besucherströme auf andere, weniger besuchte Objekte abzulenken, bisher vergeblich war und wohl auch bleiben wird.“



 

Irgendwie war ich dann auch schon wieder genug gelaufen für einen Tag und so beschloss ich die Pferdekutsche nach unten zu nehmen. Weil mein verrücktes Reiseglück mal wieder zuschlug, zahlte ich auch nichts, denn die Kutscherin dachte, dass ich zu dem Mann mit kleinem Kind gehörte, die mir gegenüber saßen. Als ich bemerkte, dass er für mich mitgezahlt hatte, wollte ich ihm mein Geld in die Hand drücken, aber er wollte es nicht haben. Was für ein netter Mensch! Musste den Jungen auch nicht adoptieren im Gegenzug. Puh.

Ich gönnte mir zur Feier des Tages noch leckere Käsespätzle, denn heute war schon wieder der letzte Tag hier und morgen würde es weiter gehen nach Berchtesgaden. Mehr Berge und weniger Schlösser! Ich freute mich schon riesig auf meine gebuchte Klettersteigtour!