Freitag, 11. Dezember 2020

Hoch hinaus - Wanderung auf die Zugspitze

 “Nur wo Du zu Fuß warst, bist Du auch wirklich gewesen” 

- Johann Wolfgang von Goethe

 

06.07.-09.07.2020. Meine sozialen Reserven waren aufgefüllt und so riefen mich die Berge zurück zu ihrer rauen Schönheit. Mein nächstes Ziel würde mein letztes in Deutschland sein und so war es ja klar, wo es hingehen würde: Zur Zugspitze, dem höchsten Gipfel Deutschlands und des Wettersteingebirges.

 

Also ab nach Garmisch-Partenkirchen, dessen Namen ich von so vielen Wintersport-Events kannte. Mein Hostel lag auch nur wenige Gehminuten von der berühmten Olympia-Schanze entfernt und mein Zimmer hatte sogar Blick auf diese. Musste ich natürlich sofort ein Foto von machen und Papa schicken. Er war schließlich der Grund, warum mir dieser Name so geläufig war.

Mein Hostelzimmer bestand aus 6 Betten mit angrenzendem Bad, das ich komplett für mich hatte. Ich glaube, dass die Zimmer immer nur an eine Gruppe oder Person vergeben werden dürfen, weswegen auch niemand zu mir reinkommen konnte. Ha, danke Corona! Das Hostel war somit auch nicht übermäßig voll, auch wenn ich gelegentlich ein paar Leute in der Küche oder im Garten sah.

 


Den nächsten Tag nutzte ich, um die Wanderung zu planen, denn es gibt mehrere Wege, die auf die Zugspitze führen (zusätzlich natürlich zu der Zahnradbahn bzw. Seilbahn, mit der man hochfahren kann). Zwei technisch eher einfache, dafür etwas längere Wanderungen führten etwas weniger steil hinauf und erforderten nur am Ende ein wenig Klettererfahrung oder Trittsicherheit. Ich wollte aber den dritten Weg nehmen, weil er am spannendsten aussah: Zwei Klettersteige, eine Klamm und eine Gletscherüberquerung. Das klingt doch nach einem wunderbaren Abenteuer!

Falls jemand sich alle Möglichkeiten anschauen möchte, um auf die Zugspitze zu kommen, gibt diese Seite eine nette Zusammenfassung (2 Tageswanderungen, 2 Wanderungen mit Klettersteigen, 1 Kletterroute und 1 hochalpine Gratwanderung):

>> Link Wandern auf die Zugspitze

Diese Wahl bedeutete jedoch auch, dass ich Equipment brauchte. Steigeisen für meine Stiefel und ein Klettersteigset mit Helm. Also ging ich vormittags in die Stadt und erkundigte mich in der Touristen-Information: Ich bin jedes Mal wieder erstaunt, wie wenig es mir bringt in so eine Info zu stiefeln. Als hätten die Leute, die dort arbeiten keinerlei Informationen für fitte Menschen.. Frag nach irgendwelchen Verkehrsmitteln und sie bombardieren dich mit Informationen, aber die Sachen, die man nicht bereits nach einem Klick bei Google findet, wissen sie dann auch nicht. Ja gut, sie gaben mir eine Adresse einer Bergschule, die wohl so etwas verleihen sollte, also ging ich hin, aber ich kann doch nicht die Einzige sein, die diese Infos haben will. Niemand da in der Bergschule. Dieser Tag wurde nicht besser. Ein Anruf ergab, dass ab 16 Uhr jemand da sein würde, also ging ich wieder zurück Richtung Innenstadt und klapperte auf dem Weg zurück zum Hostel jedes Geschäft ab, das mir Google vorschlug. Fast alle verkauften jedoch nur Sportklamotten und keine Kletterausrüstung und so wollte ich schon aufgeben, als ich im allerletzten Geschäft fündig wurde. Ganz hinten gab es Klettersteigsets als Komplettpaket zu kaufen: Klettergurt, Helm und Klettersteig-Karabiner. War natürlich teuer und ich überlegte, ob sich das Kaufen überhaupt lohnen würde. Eine kurze Rechnung in meinem Kopf ergab: Lohnt sich eher nicht. Keine Ahnung. Ich kaufte es trotzdem. [Und da ich mittlerweile so weit hinterher hänge mit meinen Blogs, kann ich schon mal spoilern: Es lohnte sich doch. :D]

Nachmittags besorgte ich mir noch die fehlenden Steigeisen und bereute kurz meine Entscheidung das Set gekauft zu haben, denn Ausleihen wäre natürlich viel billiger gewesen. Selbst wenn ich noch auf 5 andere Klettersteige stiefeln würde an jeweils anderen Tagen. Aber was soll’s. Gekauft war gekauft.

Auf dem Rückweg zum Hostel ließ ich mir viel Zeit, da ich dem „Geologiepfad“ an der Partnach (Fluss) entlang folgte und mir immer wieder die verschiedenen Gesteine aus dem Alpenraum anschaute und diese anfasste. Ich mag wie sich Steine manchmal weich, manchmal hart, oft kalt, aber gelegentlich auch warm anfühlen. In einigen waren Muscheln eingeschlossen, es gab rosa Marmor und dunklen Schiefer. Schön.

 

Start der Wanderung auf die Zugspitze vor Hammersbach

Viel zu früh schmiss ich mich am nächsten Tag selbst aus dem Bett, auch wenn es schon hell war – blöder Sommer. ;) Fertig machen, schnelles Frühstück und dann los. Mit dem Bus so weit wie möglich zum Start des Weges Richtung Hammersbach und so konnte ich gegen 8 Uhr starten. Meine Beine fühlten sich etwas schwer an, weil ich so höchst intelligent gewesen war zwei Tage zuvor aus Langeweile noch ein HIIT-Workout zu machen und davon nun schon den zweiten Tag Muskelkater hatte.

Wanderung auf die Zugspitze.

Zugspitzwanderung über die Höllentalklamm, Höllentalferner (Gletscher) und den Höllental-Klettersteig:

Länge: 10,6 km

Aufstieg: etwa 2.200 Höhenmeter

Gipfel Zugspitze: 2.962m

Wanderzeit: ca. 8 Stunden (mit Pausen)

[ist allerdings offiziell als reine Gehzeit ohne Pausen mit 8 bis 9 Stunden angegeben]

 

Im Verleihladen hatte man mir schon gesagt, dass im unteren Bereich des Höllentals der eigentliche Weg gesperrt war, aber eine Umleitung war gut ausgeschildert. Es ging rein in den Wald und direkt hoch. Die Umleitung machte nämlich ein paar mehr Höhenmeter. Freude. Vor und hinter mir waren noch andere Wanderer, was mir ein Gefühl von Sicherheit gab, denn so hoffte ich später nicht allein über den Gletscher gehen zu müssen. Zwei in Bundeswehrklamotten gekleidete junge Männer überholte ich erstmal, dann lief ich irgendwie 20 Minuten mit einer anderen Gruppe mit, weil wir mehr oder weniger gleich schnell waren. Wir redeten nicht miteinander, aber da ich sonst nichts zu tun hatte, lauschte ich den Gesprächen. Sportstudenten, so schien es. Mit der Gruppe zusammen erreichte ich auch das erste Highlight der Strecke: die Höllentalklamm.

 


 

Für 5 Euro durfte man hindurch, es herrschte Maskenpflicht. Es war aber nicht viel los und so setzte ich die Maske nur auf, wenn mir mal jemand auf den schmalen Felspfaden oder Tunneln entgegenkam. Die Klamm war wunderschön! Der hier tosend rauschende Hammersbach hatte sich in tausenden von Jahren eine felsige Schlucht in den Stein gefressen, die teilweise 150m tief war. Nur wenige Meter breit, bleibt nicht viel Platz für Wanderer, so dass die Wege durch die Klamm in den Felsen gehauen worden waren. Inklusive hunderter kleiner Wasserfälle, die diese schattige Steinlandschaft in ein Wasserparadies verwandelten. Vorausgesetzt man mag eisige Wassertropfen, die einem den Nacken hinabrinnen.

Ein paar Brücke und Metallwege erleichterten das Durchkommen und ermöglichten immer wieder tolle Ausblicke. Was für eine verrückte Landschaft.

Gerade als ich überlegte mir meine Jacke überzuziehen, weil mich das ständige Wasser und der kühle Wind in den Schatten der Schlucht echt auskühlte, öffnete sich plötzlich der Fels zu einem größeren Tal. Sonne und Wärme fluteten auf mich ein und ich blinzelte in das helle Licht.

 


Da ich mir die wundervollen Felsformationen der Klamm genauer anschaute und die ungewöhnliche Natur genoss, lief mir die Studentengruppe davon und ich war die nächsten 7 Stunden quasi allein unterwegs.

Der Weg stieg nun wieder steiler an und mir wurde schnell warm, so dass ich nach kurzer Zeit meine Hosenbeine „auszog“ und in kurzer Hose weiterlief. Ich würde diesem Tal bis zum Ende folgen, wo der Gletscher unterhalb des Zugspitzmassivs auf mich wartete. Sonne, Felsen, Pflanzen, zwitschernde Vögel und wunderbarer Sonnenschein begleiteten mich auf dem Anstieg zur Höllentalangerhütte. Dort blieb ich kurz stehen und beobachtete die Anlieferung von Vorräten per Helikopter. Ein Mann war neben mir stehen geblieben und als der Heli eine Lieferung von mehreren Fässern Bier herunterließ, meinte er nur trocken: „Das sollte für heute reichen.“

 


 

Ich beschloss hier noch keine Pause zu machen, es war noch zu früh, und ging daher weiter in das breiter werdende Tal. Hier wartete der erste Klettersteig auf mich, das „Brett“. Eine Steilwand musste über in den Felsen geschlagene Tritte in eisernen Treppenstufen erklettert werden – großartiges Fotomotiv. :D Kurz ausruhen und denn Blick hinunter ins Tal genießen, dann ging es weiter auf einer Traverse über dem Abgrund. Steiler Fels und ein paar Eisenstäbe, auf denen man hinüber balancieren musste. Absolut schwindelfrei sollte man schon sein. Vor mir gingen zwei gute trainierte Wanderer, die deutlich schneller unterwegs waren – jedenfalls, wenn es nicht über dem Abgrund entlang ging. Der zweite Wanderer schien ein wenig Höhenangst zu haben und klammerte sich ziemlich verzweifelt an dem Stahlseil fest. Im Schneckentempo hangelte er sich von einem Tritt zum nächsten und ich kam immer näher. Erst nach dieser Strecke liefen sie mir auf Nimmerwiedersehen davon.

 



Nach diesem netten kleinen Klettersteig ging es über einige felsige Passagen weiter hinauf, in denen man die Felsbrocken ungesichert erkletterte und wo ich zweimal den Weg verlor und ein wenig schwitzige Hände bekam als ich irgendwo herumturnte in der Hoffnung die verblichenen Wegmarkierungen auf den Steinen wieder zu finden. An einer schönen geschützten Stelle im Grünen aß ich in Ruhe mein Brot zum Mittag. 

 


Danach stiefelte ich den letzten Hügel hinauf, der mir den Blick in den hinteren Teil des Tales versperrte und genoss die Sicht! Plötzlich lag der weiß glänzende Höllentalferner vor mir. Dunkle Felsen im Schatten umgaben den Gletscherkessel und glitzernder Schnee in der Sonne leuchtete darin in minimalistischem Kontrast. Krass, eine dieser Wände würde ich hochklettern müssen – kaum vorstellbar von hier unten. Die umgebenden Berge sahen so unerreichbar fern aus und die Zugspitze war der höchste Gipfel von allen hier. Es war schon Mittag, war das überhaupt noch schaffbar, bevor die letzte Gondel um 17 Uhr ins Tal herabfuhr? Wir würden sehen.

 


 

Auf dem Weg hinunter zum Gletscher überquerte ich noch einige Geröllfelder, was mir gar nicht gefiel, da ich immer ausrutsche auf losem Gestein, aber es waren nur wenige Minuten und dann zog ich auch schon meine Steigeisen über meine Stiefel. Es würde noch einmal anstrengend werden.

Vor dem hellen Schnee hoben sich die bunten Farbtupfer der anderen Wanderer deutlich hervor – ich war beruhigt, dass ich nicht allein war. Auf dem riesigen Schneefeld verteilte sich alles stark, aber es gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Die Mittagssonne hatte die oberste Schicht des Schnees schon angetaut und aufgeweicht, so dass es sogar mit den scharfen Stahlzähnen unter meinen Schuhen noch rutschig war. Als es steiler wurde, rammte ich meine Stiefel in die Spuren anderer Wanderer vor mir und kam schnell voran. Ein Pärchen vor mir wanderte ohne Steigeisen und war daher recht langsam, so dass ich sie nach ein paar Minuten überholte.

 


Nach etwa einer halben Stunde im Schnee, kam die Steilwand endlich näher und ich konnte den Einstieg in den letzten Klettersteig erkennen. Auf den letzten 200m fand ich dann eine schwarz glänzende GoPro im Schnee und hob sie auf. Ich hoffte, dass sie den Wanderern vor mir gehören würde, denn ich hatte keine große Lust auf dem Gipfel der Zugspitze alle Leute anzusprechen.

Kurz vor der Felswand stiefelte man am Rand der Schneekante entlang und man konnte sehen, dass diese ausgehöhlt war – eingefroren wie eine gerade brechende Welle. Die Sonne hatte den Stein den ganzen Sommer über jeden Tag erwärmt und diese Hitze hatte den Schnee dort schmelzen lassen.

Ich wusste, dass der Schnee fest genug war, um mich zu tragen, da dort schon hunderte Leute vor mir langgelaufen waren, aber ich hatte trotzdem ein mulmiges Gefühl.

Am Einstieg in den Klettersteig warteten zwei junge Männer auf mich, die mich direkt nach der GoPro fragten und so konnte ich erleichtert mein Fundstück abgeben. Ich wartete kurz bis die beiden über mir genug Sicherheitsabstand zu mir hatten, schaute noch einmal zurück über den Gletscher in das Tal und dann klickte ich meine Karabiner in das Drahtseil ein, das direkt aus dem Gletscher zu kommen schien. Eine ungefähr vierstündige Kletterpartie mit etwa 600 Höhenmetern lag vor mir.

 


Es ging steil los. Der Einstieg war eine glatte Wand ohne zusätzliche Tritte im Stein, so dass man sich mit den Sohlen gegen die Wand drücken musste und sich mit den Händen am Sicherungsseil hinaufhangelte. Ich war froh, dass dieser Teil recht kurz war. Für die nächsten zwei Stunden hatte ich die beiden Typen noch vor mir, da ich bei den schwierigeren Kletterabschnitten schneller war, aber dann wurde das Gelände weniger anspruchsvoll und sie liefen mir davon. Viel kraxelte ich einfach über die herumliegenden Felsen, mal gab es Abschnitte mit befestigten Tritten, dann wiederum kurze Abschnitte, in denen man klettern musste. Der Fels sah immer wieder anders aus, es wurde nicht langweilig. Kurze Abschnitte waren nur leichtes Gehen, aber es ging stetig bergauf und man darf nicht vergessen, dass man das ganze Klettern und Kraxeln auf über 2.000 und irgendwann über 2.500 Metern machte. Ich spürte die Höhe und auch die hinter mir liegenden Stunden. Jeder Höhenmeter war von mir geleistet worden und das teilten mir meine Muskeln langsam mit.

 


 


Ich überholte noch ein paar andere Wanderer auf den letzten 200 Höhenmetern und hielt immer kurz an, um mit ihnen zu quatschen. Ein junges Paar, das sich selbst als eher unsportlich bezeichnete, erzählte mir kurz vorm Gipfel, dass sie schon um 5 Uhr heute früh aufgebrochen waren – also 3 Stunden vor mir. Krass. Respekt, dass sie sich so gut eingeschätzt haben und es trotz der langen Wanderzeit durchgezogen haben. Den Gipfel hatten sie sich verdient! :) Menschen, wie diese beiden, sind eine Inspiration.

Es ging in den Endspurt. Fast schon konnte ich den Gipfel sehen, man war schon höher als alle anderen Berge um einen herum.

Ich arbeitete mich langsam in einer schattigen Felsrinne empor, in der Schnee und Eis von der Sonne geschützt seit dem Winter herumlagen. Der Wind wehte kalt durch die Spalten und Gänsehaut überzog meine Arme und Beine. Ich war froh über meine Handschuhe, die meine Hände vor den eisigen Stahlbändern schützten und auch vor scharfkantigen Felsen, die sich sonst gut als Griffe anboten. Trotz der Anstrengung hatte die Kletterpartie am meisten Spaß gemacht.

Da man vom Höllental den Gipfel der Zugspitze von der der Besucherplattform entgegengesetzten Seite erreicht, kann man sich die möglichen Warteschlangen auf den Gipfel sparen und direkt dort einreihen. Tagestouristen, die mit der Bahn hinaufgefahren waren, wechselten sich mit Wanderern ab, die alle etwas weniger gepflegt aussahen. :D Ich zähle mich dazu, haha. Aber meistens verrieten einen auch die Helme. Und das Schuhwerk.

 


 

Und dann war es so weit. Die Zugspitze. Ich hatte es geschafft und meine ganz privaten Sekunden mit dem höchsten Punkt Deutschlands und seinem goldenen, etwas sehr pompösen Gipfelkreuz. Eine nette Frau machte ein paar Fotos von mir und dann gab ich den Platz auch schon an den nächsten Wartenden in der Schlange weiter. Ich war 8 Stunden hier hinaufgestiegen, um ein paar Sekunden auf dem Gipfel zu stehen. Aber was für ein herrliches Gefühl das war! Nur ein paar schwarze Vögel flogen noch höher in den kühlen Luftströmen der Berge, die Aussicht war unglaublich! Das Voralpenland lag ausgebreitet vor mir, weit unter mir eine weiße Fläche: der Gletscher, den ich überquert hatte. Nun so weit unten, dass man einzelne Menschen nicht mehr auf der Schneemasse erkennen konnte. Ich hatte noch nicht realisiert, dass ich dies alles geschafft hatte: über 2.000 Höhenmeter an einem Tag. Wie verrückt sich das anhört. Der höchste Berg in Niedersachsen (Wurmberg) bringt es nicht einmal auf 1.000m.

 



Müde, aber glücklich kletterte ich nun auf die Besucherplattform herunter, die erstaunlich voll war. Erstmal eine heiße Schokolade (unglaublich schlecht, die sollten sich schämen so etwas zu verkaufen) und hinsetzen. Es war laut und wuselig, zu viele Menschen, ich wollte nicht hierbleiben. Also schälte ich mich aus meinem Klettergurt heraus, verstaute das ganze Equipment und machte mich auf die Suche nach dem nächsten Ticketbüro. Es war kurz nach 16 Uhr, also hatte ich noch genug Zeit und musste mich nicht stressen, aber meinen Plan B den kürzesten Weg auf der anderen Seite hinabzuwandern, verwarf ich direkt wieder. Meine Beine sagten dazu nur: „Kannst du machen, aber dann kannst du halt auch direkt ins nächste Krankenhaus durchgehen. Deine Entscheidung.“ Ich nahm die Gondel und Zahnradbahn direkt zurück ins Zentrum von Garmisch-Partenkirchen. Überraschung. 35 Euro, aber das Sitzen war es mir wert. :D Auf dem Gletscher auf der anderen Seite gab es ein Skigebiet, das ich aus der Gondel heraus betrachtete, den Drang zu sportlichen Betätigungen hatte ich heute jedoch nicht mehr.

 

 

Schnell noch die ausgeliehenen Steigeisen zurückgebracht – der Tag schien einfach nicht enden zu wollen – und dann ging es endlich zurück ins Hostel. Hinsetzen, Beine hoch. Doch dann fingen die Kopfschmerzen an. Ich hatte zwar mein Wasser komplett ausgetrunken, aber es war wohl zu wenig gewesen für die Anstrengung und außerdem hatte ich auf Gesicht, Armen und Beinen Sonnenbrand. Wundervoll. Ich hatte zwar Arme und Gesicht eingecremt, aber halt nur morgens und das war für einen wolkenlosen Julitag in den Bergen definitiv zu wenig gewesen. Meine Hochstimmung verflog also langsam und machte kompletter Erschöpfung Platz.

Und dann bekam ich plötzlich auch noch zwei Mitbewohner in meinem Dorm. Eigentlich hätten sie heute in einer Hütte in den Bergen schlafen sollen, aber der ältere Mann war gestürzt, so dass die Bergwacht sie zurück in die Stadt geholt hatte. Sie hatten natürlich kein Zimmer mehr gehabt und so wurden sie bei mir einquartiert. Ich wollte doch nur meine Ruhe haben. Seufz.

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Ich hatte beschlossen noch eine Nacht länger hier zu bleiben, so dass ich am nächsten Morgen immer noch ziemlich gerädert um eine Nacht verlängerte und dafür in ein Einzelzimmer umzog. Leider musste ich allerdings um 10 Uhr raus aus dem Zimmer und konnte erst um 14:30 Uhr in mein neues Zimmer. Da die Rezeption erst nachmittags besetzt ist, konnte ich meinen Rucksack auch nirgends abgeben – merkwürdiges Hostel. Ich stellte mich also darauf ein bis zum Nachmittag auf der Terrasse Tagebuch zu schreiben, aber dann traf ich Claudiu wieder, den ich schon vorgestern im Hostel kennengelernt hatte. Er war am gleichen Tag wie ich auf der Zugspitze gewesen, hatte jedoch den längsten, aber auch am wenig steilsten Weg genommen (pro Strecke über 20km). Und diesen war er nicht nur hin sondern auch zurück gegangen an einem Tag. Über 42km. Und weil „Gehen“ ja noch nicht heftig genug ist bei über 2.000 Höhenmetern, war er gerannt. Er war einen verdammten Marathon gerannt gestern und konnte noch laufen. Ich kam mir außerordentlich armselig vor. :D Naja, lange Rede, kurzer Sinn: Er bot an meine Sachen bei sich im Zimmer einzuschließen und so konnte ich doch noch den Tag nutzen und die Gegend um das Hostel herum erkunden. :)

 


Ich besuchte die Große Olympiaschanze, die Austragungsort des Neujahrsspringens der Vierschanzentournee ist und musste erstaunt feststellen, dass sogar im Hochsommer Skispringer dort herunterflogen. Wieso dachte ich, dass man dafür Schnee braucht? Mindblown.

Naja, die Zeiten, in denen ich quasi notgedrungen noch Skisprungwettkämpfe im Fernsehen gesehen habe, lassen sich am besten mit Namen beschreiben: Martin Schmitt, Sven Hannawald, Janne Ahonen, Adam Malysz (sorry an alle Polen für die eingedeutschte Schreibweise). Haha. Ist schon etwas her.

 

Hinter der Schanze startete der Wanderweg zur Partnachklamm, der hier noch so gut ausgebaut war, dass einen auch Pferdekutschen hochbringen konnten. Ich ging zu Fuß. Auch hier musste man 5 Euro Eintritt zahlen und die Klamm war nur in eine Richtung begehbar, damit einem niemand entgegenkam. Corona ließ mal wieder grüßen. Durch die bessere Erreichbarkeit dieser Schlucht war es auch deutlich voller, aber das machte nichts. Ich ließ mir viel Zeit und ließ andere Leute, die schneller unterwegs waren, an mir vorbeiziehen. Ich hatte den ganzen Nachmittag Zeit und genoss die wilde, einzigartige Natur, die schon 1912 dazu geführt hatte, dass die Partnachklamm als Naturdenkmal erschlossen wurde.

 

Länge der Klamm: 699m

Länge der Tunnels: 247m

Höchste Felswand: 86m

 

Irgendwie war sie ähnlich zur Höllentalklamm, aber irgendwie auch komplett anders. Das Licht schien grüngolden durch die überhängenden Pflanzen von oben in die Schlucht und bildete einen magischen Kontrast zu den dunklen, nass glänzenden Felsen. Lichtspiele, Regenbögen, Wasserfälle, milchig-blaues Wasser, dunkler Fels. Wo sind die Feen mit ihren glitzernden Flügeln, die perfekt in dieses Bild gepasst hätten? Die nie endenden Geräusche des Wassers umgaben einen. Ein tosender Bach schlängelte sich in kuriosen Kurven unter einem entlang, von oben tropfte Wasser nach, ein Regenwald auf engstem Raum. Manchmal war die Klamm sehr eng und man lief in Tunneln durch den Felsen, dann wieder öffnete sich die Schlucht ein wenig und ließ zu, dass die grünen Pflanzen intensiv leuchteten.

 


Ich war fast ein wenig traurig, als ich auf der anderen Seite herauskam, beschloss dann allerdings es heute nicht zu übertreiben und wählte somit einen der kürzesten Wege zurück zum Dorf. Es ging kurz an der nun sanft fließenden Partnach entlang, dann in einem Wald hinauf und zu der „Eisernen Brücke“, die über die Partnachklamm führte und einen Blick von oben hinab ermöglichte. 

 


 

Ich kam noch an zwei Wasserfällen vorbei und bestaunte eine verrückte Gesteinsformation aus schräg stehenden Platten (vielleicht Schiefer? Meine Geologie-Kenntnisse sind eher mau), dann ging es durch das Stadion wieder zurück ins Hostel. Die Zeit bis Claudiu von seinen Abenteuern zurück kam, verbrachte ich mit dem Planen der nächsten Tage und so buchte ich für morgen ein Flixbusticket nach Innsbruck. Diesmal würde ich auch in Österreich übernachten und nicht nur eine Tour in das Land machen. :) Ich freute mich schon!

 

P.S.: Ich werde nicht jede Wanderung so genau beschreiben, wie diese. Aber die Wanderung auf die Zugspitze durch das Höllental war etwas Besonderes und so vielfältig und abwechslungsreich, dass ich das einfach so aufschreiben musste. :) <3 Ich hoffe es ist niemand beim Lesen eingeschlafen.