Sonntag, 22. März 2020

Ich glaub ich werd zum Höhlenmenschen

We do not remember days, we remember moments. 

- Cesare Pavese


Aurangabad, Maharashtra.
Ajanta & Ellora.

Über schlechte Straßen ging es nach einer viel zu kurzen Nacht in den Norden, knapp 100km von Aurangabad entfernt. Somit über 3 Stunden Fahrt in einem klapprigen Bus. Man sagt ja oft einfach so "klappriger Bus", aber die hier klappern tatsächlich. Irgendwie sind es mehr so fahrende Blechhüllen mit lautem Motor, der es mit letzter Kraft aufjaulend einen Berg hoch schafft. Die Sitze sind irgendwie an dieser Hülle befestigt, aber das verschlissene Kunstleder wertet den Innenraum nicht wirklich auf. Manchmal waren etwas ausgeblichene, farbenfrohe Stoffe über die Sitze gezogen worden - ein Versuch war es wert.
Da es noch dunkel war, trieb der Fahrtwind kühle Luft durch die Fenster und mir war seit Tagen mal wieder einigermaßen kalt. Normalerweise dienen die Fenster als Klimaanlage, jetzt waren sie zwar zum Großteil geschlossen, aber halt nicht wirklich dicht.. Erst als die Sonne raus kam, wurde es angenehm.

Tagsüber war es dann wieder heiß und wir waren froh über jeden Schatten. Aber so früh am Morgen freute ich mich über die wärmenden Strahlen der Sonne.

Wir waren zu den Ajanta Caves gefahren, die ein Teil des Unesco Weltkukturerbes sind, mit ihren Schwester-Höhlen, die wir morgen besuchen wollten.
Die Ajanta-Höhlen, von denen es etwa 30 Stück gab, waren vor über 1500 Jahren von Buddhistischen Mönchen in den Fels geschnitten worden. Und zwar auf eine Weise, dass der Stein nur aus der massiven Bergwand herausgeschnitten wurde - jede Verzierung, jeder majestätisch sitzende Buddha, jede symmetrische Säule wurde somit geschnitzt ohne etwas hinzu zu fügen. 


Delikate Verzierungen, vor Sonne geschützte Wandmalereien, fast vollständig erhaltene Buddhastatuen, Säulenhallen, Klöster. Die Höhlen waren abwechslungsreich und angenehm kühl. Wir zogen am Anfang unsere Schuhe aus und gingen den Rest des Tages barfuß durch die Gegend, denn vor den Tempeln musste man seine Schuhe eh ausziehen. Insa fungierte als Guide und las uns die Besonderheiten der verschiedenen Höhlen vor. 

Eine unserer "wir bilden uns jetzt im Schatten"-Pausen


Einmal wollten wir in eine große Höhle rein gehen und mich irritierte ein merkwürdiges Summen. Ein Mann arbeitete vor dem Eingang und wies mich recht energisch an weiter zu gehen in die Höhle. Wegen der Bienen. 
Was? 
Ich lief also Insa hinterher, die schon in der Höhle war und merkte plötzlich, dass viele dunkle Punkte um mich herum schwirrten. Bienen. Und draußen direkt über dem Eingang in ein paar Metern Höhe war der riesige Bienenstock. Wirklich riesig. Das Teil summte wie verrückt. Und als wir wieder raus gingen - schnell weiter zur nächsten Höhle, wurden wir einige Male angetropft, als Bienen Nektar über uns verloren. Eine verrückte Erfahrung. 


Ein paar Affen chillten entspannt auf ein paar Mauern, wir genossen die Zeit dort. Zum Schluss gingen wir noch auf einen Aussichtspunkt im Inneren des U-förmigen Flussbogens. Ein Wasserfall war fleißig und langsam dabei den Canyon weiter zu formen und von hier konnte man perfekt sehen, wie die Höhlen in den Felsen des Canyons geschlagen worden waren. Ein Meisterwerk. 


Was für eine tolle Atmosphäre und ein paar orange gekleidete Mönche aus Thailand redeten noch kurz mit uns. Sie waren so glücklich als wir sie in thailändisch begrüßten und kurz vermisste ich die lächelnden, freundlichen Gesichter in Thailand. 


Am nächsten Tag schauten wir uns dann die Ellora Caves an, die nur etwa 25km von Aurangabad entfernt liegen und somit sehr schnell erreicht werden können. Sie sind zwischen 600 und 1000 nach Christus entstanden und damit jünger als die Ajanta-Höhlen. 
Wir konnten glücklich sein, dass wir diese Gruppe als zweites besucht haben, denn diese Höhlen legten noch mal einen drauf. Diesmal gab es Höhlentempel von Buddhisten (das waren die ältesten), Hinduisten (das waren die berühmtesten) und etwas abseits lag eine Gruppe von Jaintempeln (diese waren am schönsten verziert). 


Wir fingen rechts mit den ältesten buddhistischen Tempeln und Klöstern an. Sehr hübsch, aber auch sehr ähnlich zu den Höhlen vom Tag zuvor. Eine wunderschöne Höhle hatte eine Veranda und einen Innenhof und war zweistöckig. Dort erkundeten wir die Räume recht lange. 



Danach kamen weniger spannende Hallen, die von Außen ein bisschen an einen Plattenbau erinnerten. Wir machten ein unglaublich brillantes Video, aber leider ist es zu groß zum Hochladen, vielleicht packen wir es irgendwann auf Youtube. 


Nun kam endlich das Highlight, Tempel 16, der größte Hindutempel und, wenn man ihn kurz auf sich wirken lässt, definitiv ein Kandidat für die 7 Weltwunder. Macht da doch einfach 8 draus. Es ist der größte vollständig aus einem natürlichen Felsvorsprung herausgehauene Felsentempel Indiens (und diesen Satzabschnitt habe ich aus Wikipedia geklaut). Wenn man den englischen Artikel dazu liest, findet man in etwas poetischerer Sprache geschrieben, dass es einer der bemerkenswertesten Höhlentempel der Welt ist. Vielleicht verliert er nur gegen Petra? Aber ich schweife ab. 

Man kann kaum beschreiben wie unglaublich es sich anfühlt in einem Innenhof eines Tempels zu stehen, Bergwände umschließen den gesamten Komplex und jede einzelne Figur, Gottheit, Elefantenstatue oder hoch aufragende Säule ist aus dem selben Stück Felsen geschnitten. Und dann gehst durch diesen verzweigten Tempel mit Terrassen und Türmchen, schaust kurz in den allerheiligsten Raum, der Shiva gewidmet ist und bist vollkommen sprachlos. Die Verzierungen, die unglaubliche Handwerkskunst und Präzision sind kaum zu beschreiben, auch wenn gelegentlich Steine kaputt sind oder die Gesichter verwittert von den Jahren. 

Der Eingang zum Tempel

Die Sicht von oben in den nach oben offenen Kessel


Ich hoffe, dass Fotos das ein bisschen näher bringen können, denn dieser Tempel hat mich wirklich mit offenem Mund staunen lassen. Und das meine ich wortwörtlich. Ich stand da, habe mich um mich selbst gedreht und Steine angestarrt. :D

Ein kleiner Rundblick auf einer der oberen Terrassen

Danach machten wir erst einmal eine Pause, um dann die restlichen Tempel zu besichtigen. Nach dem doch recht vollen Tempel 16 war plötzlich alles leer. Manchmal noch eine andere Person, aber meistens waren wir alleine. Wir kletterten ein bisschen in der Gegend rum, denn die Höhlen waren nicht mehr direkt am Weg und verließen dabei aus Versehen den Pfad. Ich schwör, das war total sicher! :) Plötzlich waren wir recht weit oben und fanden klare Seen umgeben von eher rudimentären Höhlen. Die waren auf keiner Karte verzeichnet und hatten auch keine Nummer. Wie können wir schon wieder so großes Glück haben? Mehrere Seen auf hellem Stein, umgeben von dem dunklen, in den die Höhlen gegruben waren und wir waren ganz alleine. Das lud zum Verweilen ein. 


Als letztes mussten wir noch 2km zu den Jain-Tempeln laufen - natürlich in der Mittagshitze - die wir uns nur relativ kurz anschauten. Sie waren aber auch nah beisammen und nicht groß. Die Verzierungen waren aber wirklich schön, besser erhalten und aufwendiger. 


Es war ein langer Tag gewesen und uns war warm und trotzdem beschlossen wir nach einer kleinen Mahlzeit noch eine letzte Sehenswürdigkeit mitzunehmen. Auf dem Rückweg nach Aurangabad war auf etwa halber Strecke ein Fort auf einem Hügel erbaut, von dem man einen tollen Blick auf die Umgebung hatte. Es warb mit "aus einer Tolkien-Fantasy", also konnten wir das natürlich nicht weglassen. Die Mauern waren massiv und die eigentliche Festung schlau angelegt mit einem dunklen Tunnel als einzigem Zugang. Ansonsten gab es außer einem hohen, orangenen Turm, der dort irgendwie fehl am Platz wirkte, nicht viel, so dass wir oben in einem der Turmfenster saßen und bis kurz vor die Schließungszeit die Landschaft betrachteten und uns vom Wind abkühlen ließen. 


Wir haben schon ein schönes Leben. :) 

An diesem Abend ging es wiederum mit einem Nachtbus nach Mumbai an die Westküste. Raus aus dem Landesinneren und auf zu unserer vorletzten Station in Indien. Die Zeit raste unaufhörlich vorwärts und wir kamen kaum mit so viel passierte schon wieder.

Sonntag, 15. März 2020

Trump kommt, wir gehen - Ahmedabad


But somewhere across that river
We pass where the sun rises slow
The leading road shines like glitter
It's still a long way to go

A million raindrops fell, but now I'm escaping the clouds
On these streets of gold
On these streets of gold
A million ways to go, but I never walk on my own
On these streets of gold
On these streets of gold


Nico Santos - Streets of Gold


Die Städte der Farben, Jaipur, Jodhpur und Udaipur waren abgehakt - Erinnerungen, ein Kaleidoskop aus Eindrücken und es war Zeit weiterzuziehen. 

Wir verließen nun Rajasthan in Richtung Süden. Eigentlich hätten wir uns gerne noch die einzigen freilebenden Löwen auf dem asiatischen Kontinent angeschaut, die auf einer Halbinsel an der Westküste leben und quasi nach Afrika schauen können. Aber es gab ein paar Gründe, die dagegen sprachen: Eine Safari war unverhältnismäßig teuer (sogar teurer als die Tigersafaris) und wir hatten gehört, dass die Tiere an bestimmten Stellen gefüttert werden, damit sie dorthin kommen und angeschaut werden können und das muss halt auch nicht sein. Zusätzlich sprach dagegen, dass die Halbinsel sehr abseits liegt und wir dadurch lange Fahrten hätten, die von unserer langsam ablaufenden Zeit in Indien ein großes Stück abbeißen würden. Da haben wir lieber noch einen extra Tag in Mumbai und Goa. 

Also überquerten wir nun die Grenze nach Gujarat und fuhren in das warme, eher muslimische Ahmedabad.



Am ersten Tag schauten wir uns natürlich eine der alten Moscheen in Fußgehweite an, aber weil Insa krank war, war es das heute für sie gewesen. Auch wenn wir in Kopftüchern super süß aussehen. :P 

Ich brachte sie noch zurück zum Hostel und dann ging ich weiter, einmal über einen großen Fluss zu einem Blumengarten auf der anderen Seite. War wohl keine Touristenattraktion, denn ich musste genau so viel bzw. wenig zahlen, wie die Einheimischen. Top. Es war wundervoll aus der lauten Stadt herauszukommen und einfach durch einen blühenden Garten zu schlendern. Man hörte den Lärm der Stadt nur sehr gedämpft und hatte auf der einen Seite den Blick auf den Fluss.



Auf dem Weg zur Moschee war ein riesiger Markt auf den Straßen aufgebaut gewesen, durch den wir uns hatten kämpfen müssen - auf dem Weg zurück musste ich nur eine Möglichkeit finden, eine mehrspurige Straße zu überqueren. Alles auf seine Weise eine Herausforderung. Ich ließ mir noch 'ne Orange andrehen und war somit mit zwei heißen Gemüsetaschen und Bananen für den Abend gut ausgerüstet.




Den nächsten Tag verbrachten wir nur im Zimmer, um dann voll durchzustarten mit unserem Tourieprogramm. Wir hatten eigentlich gar nicht so lange bleiben wollen, aber es war gut, dass wir noch ein paar Tage als Puffer hatten. Indien kann einem ja manchmal etwas böse in die Karten spielen. 

Das Highlight von Ahmedabad befand sich 20km außerhalb der Stadt, in Adalaj: der Adalaj Stepwell. Es soll einer der größten und schönsten Indiens sein, also schauten wir mal nach, ob das auch so stimmt. Erwartet hatte ich einfach ein überdimensionales viereckiges Loch im Boden, so wie die anderen Stepwells auch aufgebaut waren. Ich wurde überrascht. Das Bauwerk war wie ein Bunker in den Boden gebaut, massive Pfeiler trugen die Steindecken. Eine lange Treppe führte von einer Seite immer weiter in die Erde, mehrere Stockwerke von kunstvoll verzierten Wänden, Säulen und kleinen Wandnischen begleiteten einen auf dem Weg nach unten. Es wurde kühler - sehr angenehm bei der trockenen Hitze draußen. Licht spendete die Sonne, denn die Decken waren so konzipiert, dass sie verschachtelt übereinander gebaut waren, aber noch genug Platz ließen, um den Brunnen zu erhellen. Über dem tatsächlichen Brunnen war die Decke sogar ganz offen.
Ja, es war schön, hatte sich gelohnt und wir konnten neben dem Stepwell noch bei ein paar süßen Welpen auf dem Rasen im Schatten eines Baumes frühstücken.






Nun fuhren wir wieder zurück in die Stadt, denn dort sollte es das Gandhi Ashram geben. Das wollten wir auch mal anschauen, wenn wir schon mal da waren. ;)

Straßenabsperrungen machten es unserem Fahrer nicht leicht dorthin zu kommen, aber mit ein bisschen hin und her kamen wir an. Eine vollkommen mit Plakaten zugepflasterte Brücke überquerten wir dazu gleich zweimal. Trump, Modi (indisches Staatsoberhaupt), Trump, Modi,... Grinsende Gesichter überall. Werbung auf großen Plakaten in der ganzen Stadt und auf Werbetafeln an den Straßen. Natürlich wussten wir schon länger, dass Trump nach Ahmedabad kommen würde; man hätte blind sein müssen, um das nicht mitzubekommen. Aber wir wollten lange vorher weg sein. Nun würde er am nächsten Tag ankommen und wir waren immer noch da.



Dafür fuhren wir am größten Cricketstadion der Welt vorbei und mussten ein wenig Schmunzeln als wir erfuhren, dass Indien jede Stadt für ein Treffen hätte auswählen können. Klar ist das größte Cricketstadion ein guter Grund, aber Trump im muslimschen Ahmedabad landen zu lassen, hat eine gewisse Ironie. 

Wir bekamen dafür eine Sicherheitskontrolle gratis am Ashram, die dort normalerweise nicht ganz so gründlich sind, was uns der mobile Scan-Wagen zeigte. Kontrollen, wie am Flughafen. Dafür war der Eintritt frei, aber ein Eintrittspreis wäre wohl auch entgegen Gandhis Überzeugungen gewesen. 
Es war super spannend. Natürlich wusste ich grob wer Gandhi ist bzw war, aber Einzelheiten aus seinem Leben, die Rolle seiner Frau, seine Überzeugungen und was er für die Menschen im Einzelnen getan hat, das lernt man ja nicht in der Schule.




Nach diesem kulturellen Overflow, besuchten wir noch einen alten Tempel und eine alte Moschee, die für ihre Fenster berühmt ist. Wir durften allerdings nicht rein, weil Frauen verboten sind. Was für ein absoluter Schwachsinn.

Jain-Tempel

Moscheefenster aus dem 16. Jahrhundert


Da wir nun alle Highlights hier gesehen hatten und nicht in einer sicherheitstechnisch abgeriegelten Stadt mit Trump sein wollten, fuhren wir am selben Abend noch mit dem Nachtbus runter nach Aurangabad. Spart uns eine Nacht im Hostel und einen Tag Reisezeit.

...und ist gar nicht mal unbequem.


Neue Stadt, neuer Staat: Maharashtra

Somit konnten wir am nächsten Tag schon das Highlight von Aurangabad mitnehmen: das Bibi Ka Maqbara, das Taj Mahal des armen Mannes. Es sah dem Taj tatsächlich ziemlich ähnlich, nur irgendwie zusammen gedrückt mit höheren Türmen (Minaretten) im Vergleich zum Hauptgebäude und weniger wertvollem Stein.




Wir wurden dort von so unendlich vielen Leuten angesprochen und nach Fotos gefragt, dass uns beim Ausgang ein älterer, weißer Mann fragte, ob wir für irgendetwas berühmt seien. :D Ja, ne, unsere Haut- und Haarfarbe maximal.. und Augen. Es war lustig, aber auch anstrengend heute. 
Also entspannten wir uns draußen im Schatten - denn die Mittagssonne knallte erbarmungslos auf uns runter - mit ein paar Erdbeeren. War allerdings auch semi entspannend, weil wir dort trotzdem noch von 10 bis 20 Leuten angesprochen wurden.



Es ist außerdem großartig, dass wir von gekochtem Essen (Thali oder was auch immer), alle schon krank geworden sind, aber ungewaschene Weintrauben, Erdbeeren und Äpfel können wir ohne Probleme mampfen. Aber egal, das schmeckt eh besser als ein 1000. Thali. :P

Wir liefen zu Fuß durch zwei alte Stadttore in der nur noch teilweise vorhandenen Stadtmauer, durchquerten ein Krankenhausgelände als Abkürzung (gut, dass wir dort nicht landeten, ernsthaft, die waren zwar gerade dabei einen Weg zu bauen und deswegen gab es vielleicht mehr Chaos als sonst, aber der Müll der dort herum lag, machte das Gelände wirklich nicht einladend) und besuchten noch eine alte Wassermühle an einer Moschee. Kühler Schatten eines 200 Jahre alten Banyan Baumes und fröhlich sprudelndes Wasser.

"Mareike, sei ein Brunnen"

Heftiger Baum und wir natürlich mindestens genauso heftig


Ein guter Tag. :) War allerdings für Insa sehr anstrengend gewesen, da sie noch schlapp war, nicht genug gegessen hatte die letzten Tage und einen die Hitze zusätzlich ziemlich auslaugte. Wie gesagt, man merkt kaum wie sehr man schwitzt, weil alles so schnell wieder trocknet, einschließlich unserer Haut. 

Wir gingen früh ins Bett, denn so wahnsinnig gut schläft man in einem wackelnden Bus mit der Option auf den Gang zu fallen dann doch nicht, außerdem war der Wecker für den nächsten Tag auf kurz nach 5 Uhr gestellt. 
Die nächsten zwei Tage waren wieder ein paar Wunder an der Reihe besichtigt zu werden! :)


Sonntag, 8. März 2020

Fly High Feel Alive

Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.

- Franz Kafka


Entschuldigung. Ich weiß, ich hänge erbärmlich hinterher. Ich müsste mich zwar nicht erklären, aber weil ihr es seid, mache ich es trotzdem: Ich musste noch eine Woche Tagebuch nachholen (bin endlich seit ein paar Tagen wieder auf Stand), wir hatten ein paar längere Nachtbusse in den letzten Tagen in Indien und ich habe lieber versucht zu schlafen und ich musste ein paar Tage hart am Strand chillen. Habe 400 Seiten in 3 Tagen gelesen. Also sorry. Notsorry. :D

Sooo, wir sind also immer noch in Rajasthan, dem Wüstenstaat Indiens. Trockene, warme Luft, wenig Grün. 
Perfekt, um weniger Natur, aber dafür mehr Städte zu sehen. Wir mussten ja noch zwei Drittel der "-pur"-Städte machen. Und so fuhren wir von Jaisalmer nach Jodhpur, der blauen Stadt

(nicht blau dieser Teil der Stadt)
(weil ist das Fort)


Das Highlight ist hier sicherlich das berühmte Mehrangarh Fort. Im 15. Jahrhundert erbaut thront es auf einem Felsen über 200m über der sonst recht flachen Stadt. Es ist eins der größten Forts Indiens und wie wir im Laufe des Tages feststellen konnten, auch eins der beeindruckensten und schönsten. Von den vielen Forts, die wir bisher gesehen haben, war dieses das mit Abstand tollste und wenn man nur Zeit hat ein einziges zu besichtigen, dann ist es definitiv dieses. 


Im Eintrittspreis enthalten war eine Audioguidetour, die wir natürlich von vorne bis hinten durch machten. Plus Zusatzartikel zu Themen wie Kastensystem, Opium und bunter Kleidung. Gab es sogar auf Deutsch, wir hörten uns den Kram allerdings auf Englisch an. 

Das Fort war nie eingenommen worden in seiner gesamten Geschichte und hatte ein paar interessante bautechnische Details. Zum Einen war der Eingang so konstruiert, dass ganz am Schluss vor der massiven mit Eisenzacken bestückten Tür eine enge Kurve kam, so dass angreifende Elefanten nicht genug Geschwindigkeit aufnehmen konnten, um die Tür einzurennen. Die Elefantenabwehrpiekser halfen zusätzlich. 


Die Palastgebäude waren erstaunlich gut erhalten beziehungsweise restauriert worden, da sich der letzte Maharaja von Jodhpur sehr dafür eingesetzt hat aus diesem Fort in Familienbesitz ein Museum für die Öffentlichkeit zu machen. Seine Familie lebt immer noch hier und ist hoch angesehen - dazu später mehr. 


Am spannendsten fand ich die Art, wie die Wände gebaut worden waren. Zierliche, wunderschön verschnörkelte Muster waren in den Stein geschnitzt worden. Von Außen sah man nur diese wunderbaren Bilder, von Innen ermöglichte dieses System einen ungehinderten Blick nach draußen auf die Höfe, ohne dabei zu viele Fenster bauen zu müssen, die die Wärme herein lassen würden. Es war erstaunlich kühl, schattig, aber trotzdem hell in den Räumen.


Es gab mehrere Höfe und Palastträkte. Frauenquartiere und Thronsaal. Der Thronsaal war so gebaut, dass kleine Nischen oben in den Wänden zu einem Flur der Räumlichkeiten der Frauen (natürlich Mehrzahl) des Maharajas führten. Dort konnten seine Frauen gemütlich sitzen und den Gesprächen lauschen, um anschließend ihre Meinung mit ihrem Mann zu teilen. 


Der Museumsteil zeigte Kunst, Waffen, Kleidung, Sachen aus dem Alltag, natürlich Vasen und auch ein paar restaurierte Räume mit viel Farbe an den Wänden und der Decke, hochwertigen, alten Möbeln, Lampen und Spiegeln. Die haben hier echt ein Ding mit Spiegeln. Sheesh. 


Es war spannend und schön. Und man konnte mit den Kopfhörern auf den Ohren so tun, als würde man nicht hören, dass jemand einen nach Selfies fragt. Besonders, wenn es merkwürdige Typen sind, die einem schon länger folgen. 


Da wir nur diesen einen kompletten Tag in Jodhpur hatten, machten wir das beste daraus und gingen vom Fort in der Mittagshitze zu einem kleinen Mausoleum in der Nähe. Friedlich an einem See in der noch hügeligen Landschaft über der Stadt gelegen, war der Garten und das Gebäude darin einfach ein toller Anblick. 

Ich hatte gegen die Sonne mein Tuch über den Kopf gezogen, es war warm. 


Auf dem Rückweg in die Stadt zu einem Restaurant und dann zum Hostel, kamen wir durch Wohnviertel, die sehr sauber und ordentlich waren, aber in denen ich mich merkwürdig unwohl fühlte. Ich weiß nicht einmal genau wieso. Ja, die Leute auf den Straßen schauten uns an, aber das ist normal. Aber niemand sprach uns an. Hunde bellten uns an, das war nicht ganz so normal. Und dann sahen wir eine Hündin mit ihren 4 Welpen und Insa lief natürlich sofort dorthin. Knurren. Zwei der Welpen lagen tot auf dem heißen Beton, die Bäuche aufgebläht. Wir gingen schnell weiter. 

Auf dem Weg zum Hostel - kurzer Zwischenstopp bei unserem Fruchtsaftmenschen des Vertrauens (wir haben es geschafft in 2 Tagen Stammkunde zu werden) - hatten wir uns überlegt noch eine Nacht länger hier zu bleiben. Jodhpur gefiel uns und hatte noch mehr zu bieten. 
Wir machten an diesem Nachmittag dann nämlich noch eine billige "Blue City Tour with sunset", die in einen Teil der Stadt führte, in dem wir noch nicht gewesen waren. Etwas mehr blaue Häuser standen hier, denn die blaue Stadt war natürlich nicht durchgehend blau. Pff. 


Blau deshalb, weil es zu heiß gewesen ist, als diese Stadt erbaut worden war. Die Herrscher holten sich Rat aus dem heutigen Iran / Afghanistan / Irak, wo ähnliche Klimabedingungen herrschen und fanden so eine Lösung: Kalk. Weiße Kalkfarbe an die Außenwände gegen die Hitze, vermischt mit blauer Farbe gegen Insekten. 

Natürlich stellte ich nach dieser Erklärung die Frage: Wieso sind dann nicht alle Städte hier blau? Tja, die Inder sind eitel. Sehr eitel (sie sind die Menschen, die am meisten Schmuck am Körper tragen - der Welt) und deswegen konnte kein Nachbar-Maharaja zugeben, dass das schlau war und es nachmachen. Ok. Ob das stimmt weiß ich nicht. 


Eins der Häuser war hier noch traditionell mit der blauen Kalkfarbe bemalt, so dass man beim Anfassen blaue Finger bekam. Insa malte mir einen blauen Punkt auf die Nase. Die meisten anderen Häuser sind mit normaler Farbe blau bemalt, eine Klimaanlage hält die Kälte in den Räumen. So geht's natürlich auch. 

Es gab Fruchtbier. Großartig deshalb, weil das süße und ziemlich leckere Zeug (Insa meinte es wäre widerlich) weder Bier noch Früchte beinhaltet. Super. :D Diese Mehrwegglasflasche kostete 12 Cent. Lala.


Wir kamen noch an einem tollen, künstlichen See vorbei, der als Brunnen dient. Stufen führen bis zum Boden des Beckens und dort befinden sich noch tiefere Brunnen, falls der See in der Trockenzeit mal austrocknen sollte. Ich fragte wie oft das schon passiert sei: nie. Ein Wasserproblem haben sie hier nicht. ;) 


Den Sonnenuntergang schauten wir uns dann von einem kleinen Tempel neben dem Fort an. Das lustigste: Wir trafen alte Bekannte wieder! Die beiden Schweizer aus der Wüstensafari waren (mit immer noch heilen Knochen) auch gerade in Jodhpur. :) Wir unterhielten uns eine längere Zeit und witzelten, dass wir uns vielleicht in der weißen Stadt, unserem nächsten Ziel wieder treffen würden. Aber leider passierte das nicht. 


Der Sonnenuntergang war wunderbar golden über der Stadt, aber schnell vorbei. Also zurück ins Hostel. Chillen und Schlafen in einem kühlen Zimmer. 


Wir hatten für den nächsten Vormittag um 10 Uhr einen Termin bei Flying Fox und frühstückten daher schnell im Hostel, bevor wir zum Fort zurück liefen. 

Flying Fox hat in vier indischen Städten ein Zipline-System aufgebaut und ich bin mir sicher dieses hier ist das tollste! Denn es gab 5 oder 6 verschieden lange Strecken, die über die Mauern des Forts, Felsen, tiefe Abgründe und einen großen See führten. 


Es machte einfach sooooo viel Spaß! Zeeeeeeep. 
Hände an das Seil und die Rolle, abstoßen und Füße hoch. Fliiiieeegen. 

Die erste Strecke war zu flach, so dass ich es nicht bis zum Ende schaffte, also drehte ich mich mit dem letzten bisschen Schwung um und hangelte die letzten Meter zur Plattform. Es war großartig! 

Ich war die letzte auf der allerletzten Strecke, weil ich von allen noch Fotos und Videos machte - keine Ahnung wieso ich plötzlich zur Kamerafrau hochgestuft worden war. In unserer Gruppe waren noch ein paar britische Rentner, die super süß waren und total begeistert bei der Sache. :) 


Am liebsten wäre ich direkt noch einmal alle Strecken gefahren, aber es war nun ziemlich warm geworden in der Mittagssonne und so war ich dann doch froh auf der schattigen Hosteldachterrasse entspannen zu können. Wir warteten quasi so lange es ging (es war wärmer als am Tag zuvor) und fuhren dann raus zu einem Palast. 

Unser TukTuk Fahrer war alt, vermutlich so alt wie sein TukTuk und so fuhr er auch. Wir waren die langsamsten auf der Straße.. Und dann lieferte er uns am falschen Eingang ab, wo uns der Wächter sagte, dass wir dort nicht rein dürften. Also weigerten wir uns auszusteigen und zu bezahlen. Sollte er uns halt zum richtigen Eingang bringen, denn einer aus dem Hostel hatte ihm auf Hindi erklärt wohin, also war es nicht unsere Schuld. Er wollte dafür dann mehr Geld haben, weil es ein Umweg von 4km war, aber das sahen wir gar nicht ein. Er konnte auch kein Englisch also schrie er die ganze Zeit erbost herum und der arme Torwächter musste sich das anhören. Er tat mir leid. Im Endeffekt war auch er es der einknickte, denn er meinte dann, dass wir zu Fuß durch das Tor dürften. Es wären nur 15 Minuten zum Museum. Naja, das war okay für uns also bezahlten wir und stiegen aus. 

Der Palast ist aufgeteilt in 3 Teile. Einmal der Teil, in dem noch immer die Familie des Maharajas wohnt. Natürlich darf dort das gemeine Fußvolk nicht rein. Dann gibt es noch das Museum, wo wir hin wollten und was im Endeffekt wenig spektakulär war. Aber der dritte Teil war spannend und auch der Eingang, den wir aus Versehen genommen hatten, war dafür: Es war ein Hotel. Und zwar nicht irgendeins. Natürlich 5 Sterne und es hatte 2016 den Titel zum besten Hotel der Welt gewonnen. 2018 war es immer noch in den Top 3 gewesen. Cool. Das billigste Zimmer gab es für 500 Euro die Nacht, was eigentlich voll okay ist. Wir buchten es trotzdem nicht. :P


Am nächsten Tag ging es dann weiter in die weiße Stadt: Udaipur. Auch Stadt der Seen genannt. Diese Stadt war die einzige der drei farbigen Städte, die tatsächlich fast durchgängig eine Farbe hatte. Weiß. Ein toller Kontrast zu dem dunklen Wasser und dem blauen Himmel. 


Mindestens einer der großen Seen ist künstlich und unser Hostel lag auf einer kleinen Insel zwischen zwei großen Seen. Viele kleine Fußgängerbrücken, Ghats, Tempel am Wasser, ein großer Palast und einfach eine super entspannte Atmosphäre. Wir beschlossen auch hier zwei volle Tage zu bleiben. 
In den schmalen Gassen fuhren wenige Autos, wir fanden ein Restaurant direkt am Wasser, das günstig war und unglaublich leckeres Essen hatte. Und natürlich besuchten wir den Palast und einen großen Tempel. 


Der Palast war halt einfach wieder einer der vielen Paläste, die wir hier schon gesehen hatten. Schön, aber ziemlich ähnlich zu den anderen in Rajasthan. Spiegel, Farben, Höfe und Zimmer. Aber da jeder Palast, so ähnlich wie auch sind, etwas einzigartiges hat, das ihn von anderen unterscheidet, fand ich auch hier etwas, das mich inspirierte. Bunte Fenster. Rankenmuster, Bögen und die kleinen Zwischenräume gefüllt mit buntem Glas. Erinnerte an Kirchenfenster, nur in schöner, verspielter. 



Wir ließen alles etwas gemächlicher angehen hier und gingen am nächsten Tag wieder zurück zum Palast, von dem auch die Bootstouren starteten. Minuspunkt: man musste noch mal Geld zahlen, um überhaupt zum Bootsanleger zu kommen. Die haben doch nen Knall. Nicht, dass es viel Geld war, verglichen mit der Bootsfahrt, aber es war unnötig. 


Es war schön windig auf dem Wasser und wir sahen die tollen Fassaden nun vom Boot aus, das einmal im Kreis fuhr. Dann landeten wir auf einer netten, kleinen Insel und von dort ging es wieder zurück zum Palast. 





Das war ein schöner, entspannter Ausflug gewesen und da wir nun auf der anderen, von der Innenstadt abgewandten Seite hinaus gingen, waren wir nah an einer Seilbahnstation hoch auf einen tollen Aussichtspunkt über die Stadt und die Seen. Schien nicht sehr touristisch zu sein, denn wir fanden erst den Eingang nicht und dann mussten wir uns etwas verplant den Weg zu den Tickets erklären lassen. Stand irgendwie alles nur auf Hindi dort. 
Aber dafür war es billig und die Aussicht war cool und wenn andere Touristen das nicht sehen wollen, ist das nicht mein Problem. :D So mussten wir auch nicht so lange warten, um wieder runter zu fahren. 


Udaipur, du hast mir wahnsinnig gut gefallen, es war eine tolle Urlaubsatmosphäre. :) Wenn ich auch noch einen Pool gehabt hätte, wäre ich hier einfach nicht mehr weggefahren. :P