We do not remember days, we remember moments.
- Cesare Pavese
Aurangabad, Maharashtra.
Ajanta & Ellora.
Da es noch dunkel war, trieb der Fahrtwind kühle Luft durch die Fenster und mir war seit Tagen mal wieder einigermaßen kalt. Normalerweise dienen die Fenster als Klimaanlage, jetzt waren sie zwar zum Großteil geschlossen, aber halt nicht wirklich dicht.. Erst als die Sonne raus kam, wurde es angenehm.
Tagsüber war es dann wieder heiß und wir waren froh über jeden Schatten. Aber so früh am Morgen freute ich mich über die wärmenden Strahlen der Sonne.
Wir waren zu den Ajanta Caves gefahren, die ein Teil des Unesco Weltkukturerbes sind, mit ihren Schwester-Höhlen, die wir morgen besuchen wollten.
Die Ajanta-Höhlen, von denen es etwa 30 Stück gab, waren vor über 1500 Jahren von Buddhistischen Mönchen in den Fels geschnitten worden. Und zwar auf eine Weise, dass der Stein nur aus der massiven Bergwand herausgeschnitten wurde - jede Verzierung, jeder majestätisch sitzende Buddha, jede symmetrische Säule wurde somit geschnitzt ohne etwas hinzu zu fügen.
Delikate Verzierungen, vor Sonne geschützte Wandmalereien, fast vollständig erhaltene Buddhastatuen, Säulenhallen, Klöster. Die Höhlen waren abwechslungsreich und angenehm kühl. Wir zogen am Anfang unsere Schuhe aus und gingen den Rest des Tages barfuß durch die Gegend, denn vor den Tempeln musste man seine Schuhe eh ausziehen. Insa fungierte als Guide und las uns die Besonderheiten der verschiedenen Höhlen vor.
Eine unserer "wir bilden uns jetzt im Schatten"-Pausen
Einmal wollten wir in eine große Höhle rein gehen und mich irritierte ein merkwürdiges Summen. Ein Mann arbeitete vor dem Eingang und wies mich recht energisch an weiter zu gehen in die Höhle. Wegen der Bienen.
Was?
Ich lief also Insa hinterher, die schon in der Höhle war und merkte plötzlich, dass viele dunkle Punkte um mich herum schwirrten. Bienen. Und draußen direkt über dem Eingang in ein paar Metern Höhe war der riesige Bienenstock. Wirklich riesig. Das Teil summte wie verrückt. Und als wir wieder raus gingen - schnell weiter zur nächsten Höhle, wurden wir einige Male angetropft, als Bienen Nektar über uns verloren. Eine verrückte Erfahrung.
Ein paar Affen chillten entspannt auf ein paar Mauern, wir genossen die Zeit dort. Zum Schluss gingen wir noch auf einen Aussichtspunkt im Inneren des U-förmigen Flussbogens. Ein Wasserfall war fleißig und langsam dabei den Canyon weiter zu formen und von hier konnte man perfekt sehen, wie die Höhlen in den Felsen des Canyons geschlagen worden waren. Ein Meisterwerk.
Was für eine tolle Atmosphäre und ein paar orange gekleidete Mönche aus Thailand redeten noch kurz mit uns. Sie waren so glücklich als wir sie in thailändisch begrüßten und kurz vermisste ich die lächelnden, freundlichen Gesichter in Thailand.
Am nächsten Tag schauten wir uns dann die Ellora Caves an, die nur etwa 25km von Aurangabad entfernt liegen und somit sehr schnell erreicht werden können. Sie sind zwischen 600 und 1000 nach Christus entstanden und damit jünger als die Ajanta-Höhlen.
Wir konnten glücklich sein, dass wir diese Gruppe als zweites besucht haben, denn diese Höhlen legten noch mal einen drauf. Diesmal gab es Höhlentempel von Buddhisten (das waren die ältesten), Hinduisten (das waren die berühmtesten) und etwas abseits lag eine Gruppe von Jaintempeln (diese waren am schönsten verziert).
Wir fingen rechts mit den ältesten buddhistischen Tempeln und Klöstern an. Sehr hübsch, aber auch sehr ähnlich zu den Höhlen vom Tag zuvor. Eine wunderschöne Höhle hatte eine Veranda und einen Innenhof und war zweistöckig. Dort erkundeten wir die Räume recht lange.
Danach kamen weniger spannende Hallen, die von Außen ein bisschen an einen Plattenbau erinnerten. Wir machten ein unglaublich brillantes Video, aber leider ist es zu groß zum Hochladen, vielleicht packen wir es irgendwann auf Youtube.
Nun kam endlich das Highlight, Tempel 16, der größte Hindutempel und, wenn man ihn kurz auf sich wirken lässt, definitiv ein Kandidat für die 7 Weltwunder. Macht da doch einfach 8 draus. Es ist der größte vollständig aus einem natürlichen Felsvorsprung herausgehauene Felsentempel Indiens (und diesen Satzabschnitt habe ich aus Wikipedia geklaut). Wenn man den englischen Artikel dazu liest, findet man in etwas poetischerer Sprache geschrieben, dass es einer der bemerkenswertesten Höhlentempel der Welt ist. Vielleicht verliert er nur gegen Petra? Aber ich schweife ab.
Man kann kaum beschreiben wie unglaublich es sich anfühlt in einem Innenhof eines Tempels zu stehen, Bergwände umschließen den gesamten Komplex und jede einzelne Figur, Gottheit, Elefantenstatue oder hoch aufragende Säule ist aus dem selben Stück Felsen geschnitten. Und dann gehst durch diesen verzweigten Tempel mit Terrassen und Türmchen, schaust kurz in den allerheiligsten Raum, der Shiva gewidmet ist und bist vollkommen sprachlos. Die Verzierungen, die unglaubliche Handwerkskunst und Präzision sind kaum zu beschreiben, auch wenn gelegentlich Steine kaputt sind oder die Gesichter verwittert von den Jahren.
Der Eingang zum Tempel
Die Sicht von oben in den nach oben offenen Kessel
Ich hoffe, dass Fotos das ein bisschen näher bringen können, denn dieser Tempel hat mich wirklich mit offenem Mund staunen lassen. Und das meine ich wortwörtlich. Ich stand da, habe mich um mich selbst gedreht und Steine angestarrt. :D
Ein kleiner Rundblick auf einer der oberen Terrassen
Danach machten wir erst einmal eine Pause, um dann die restlichen Tempel zu besichtigen. Nach dem doch recht vollen Tempel 16 war plötzlich alles leer. Manchmal noch eine andere Person, aber meistens waren wir alleine. Wir kletterten ein bisschen in der Gegend rum, denn die Höhlen waren nicht mehr direkt am Weg und verließen dabei aus Versehen den Pfad. Ich schwör, das war total sicher! :) Plötzlich waren wir recht weit oben und fanden klare Seen umgeben von eher rudimentären Höhlen. Die waren auf keiner Karte verzeichnet und hatten auch keine Nummer. Wie können wir schon wieder so großes Glück haben? Mehrere Seen auf hellem Stein, umgeben von dem dunklen, in den die Höhlen gegruben waren und wir waren ganz alleine. Das lud zum Verweilen ein.
Als letztes mussten wir noch 2km zu den Jain-Tempeln laufen - natürlich in der Mittagshitze - die wir uns nur relativ kurz anschauten. Sie waren aber auch nah beisammen und nicht groß. Die Verzierungen waren aber wirklich schön, besser erhalten und aufwendiger.
Es war ein langer Tag gewesen und uns war warm und trotzdem beschlossen wir nach einer kleinen Mahlzeit noch eine letzte Sehenswürdigkeit mitzunehmen. Auf dem Rückweg nach Aurangabad war auf etwa halber Strecke ein Fort auf einem Hügel erbaut, von dem man einen tollen Blick auf die Umgebung hatte. Es warb mit "aus einer Tolkien-Fantasy", also konnten wir das natürlich nicht weglassen. Die Mauern waren massiv und die eigentliche Festung schlau angelegt mit einem dunklen Tunnel als einzigem Zugang. Ansonsten gab es außer einem hohen, orangenen Turm, der dort irgendwie fehl am Platz wirkte, nicht viel, so dass wir oben in einem der Turmfenster saßen und bis kurz vor die Schließungszeit die Landschaft betrachteten und uns vom Wind abkühlen ließen.
Wir haben schon ein schönes Leben. :)
An diesem Abend ging es wiederum mit einem Nachtbus nach Mumbai an die Westküste. Raus aus dem Landesinneren und auf zu unserer vorletzten Station in Indien. Die Zeit raste unaufhörlich vorwärts und wir kamen kaum mit so viel passierte schon wieder.