Sonntag, 8. März 2020

Fly High Feel Alive

Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.

- Franz Kafka


Entschuldigung. Ich weiß, ich hänge erbärmlich hinterher. Ich müsste mich zwar nicht erklären, aber weil ihr es seid, mache ich es trotzdem: Ich musste noch eine Woche Tagebuch nachholen (bin endlich seit ein paar Tagen wieder auf Stand), wir hatten ein paar längere Nachtbusse in den letzten Tagen in Indien und ich habe lieber versucht zu schlafen und ich musste ein paar Tage hart am Strand chillen. Habe 400 Seiten in 3 Tagen gelesen. Also sorry. Notsorry. :D

Sooo, wir sind also immer noch in Rajasthan, dem Wüstenstaat Indiens. Trockene, warme Luft, wenig Grün. 
Perfekt, um weniger Natur, aber dafür mehr Städte zu sehen. Wir mussten ja noch zwei Drittel der "-pur"-Städte machen. Und so fuhren wir von Jaisalmer nach Jodhpur, der blauen Stadt

(nicht blau dieser Teil der Stadt)
(weil ist das Fort)


Das Highlight ist hier sicherlich das berühmte Mehrangarh Fort. Im 15. Jahrhundert erbaut thront es auf einem Felsen über 200m über der sonst recht flachen Stadt. Es ist eins der größten Forts Indiens und wie wir im Laufe des Tages feststellen konnten, auch eins der beeindruckensten und schönsten. Von den vielen Forts, die wir bisher gesehen haben, war dieses das mit Abstand tollste und wenn man nur Zeit hat ein einziges zu besichtigen, dann ist es definitiv dieses. 


Im Eintrittspreis enthalten war eine Audioguidetour, die wir natürlich von vorne bis hinten durch machten. Plus Zusatzartikel zu Themen wie Kastensystem, Opium und bunter Kleidung. Gab es sogar auf Deutsch, wir hörten uns den Kram allerdings auf Englisch an. 

Das Fort war nie eingenommen worden in seiner gesamten Geschichte und hatte ein paar interessante bautechnische Details. Zum Einen war der Eingang so konstruiert, dass ganz am Schluss vor der massiven mit Eisenzacken bestückten Tür eine enge Kurve kam, so dass angreifende Elefanten nicht genug Geschwindigkeit aufnehmen konnten, um die Tür einzurennen. Die Elefantenabwehrpiekser halfen zusätzlich. 


Die Palastgebäude waren erstaunlich gut erhalten beziehungsweise restauriert worden, da sich der letzte Maharaja von Jodhpur sehr dafür eingesetzt hat aus diesem Fort in Familienbesitz ein Museum für die Öffentlichkeit zu machen. Seine Familie lebt immer noch hier und ist hoch angesehen - dazu später mehr. 


Am spannendsten fand ich die Art, wie die Wände gebaut worden waren. Zierliche, wunderschön verschnörkelte Muster waren in den Stein geschnitzt worden. Von Außen sah man nur diese wunderbaren Bilder, von Innen ermöglichte dieses System einen ungehinderten Blick nach draußen auf die Höfe, ohne dabei zu viele Fenster bauen zu müssen, die die Wärme herein lassen würden. Es war erstaunlich kühl, schattig, aber trotzdem hell in den Räumen.


Es gab mehrere Höfe und Palastträkte. Frauenquartiere und Thronsaal. Der Thronsaal war so gebaut, dass kleine Nischen oben in den Wänden zu einem Flur der Räumlichkeiten der Frauen (natürlich Mehrzahl) des Maharajas führten. Dort konnten seine Frauen gemütlich sitzen und den Gesprächen lauschen, um anschließend ihre Meinung mit ihrem Mann zu teilen. 


Der Museumsteil zeigte Kunst, Waffen, Kleidung, Sachen aus dem Alltag, natürlich Vasen und auch ein paar restaurierte Räume mit viel Farbe an den Wänden und der Decke, hochwertigen, alten Möbeln, Lampen und Spiegeln. Die haben hier echt ein Ding mit Spiegeln. Sheesh. 


Es war spannend und schön. Und man konnte mit den Kopfhörern auf den Ohren so tun, als würde man nicht hören, dass jemand einen nach Selfies fragt. Besonders, wenn es merkwürdige Typen sind, die einem schon länger folgen. 


Da wir nur diesen einen kompletten Tag in Jodhpur hatten, machten wir das beste daraus und gingen vom Fort in der Mittagshitze zu einem kleinen Mausoleum in der Nähe. Friedlich an einem See in der noch hügeligen Landschaft über der Stadt gelegen, war der Garten und das Gebäude darin einfach ein toller Anblick. 

Ich hatte gegen die Sonne mein Tuch über den Kopf gezogen, es war warm. 


Auf dem Rückweg in die Stadt zu einem Restaurant und dann zum Hostel, kamen wir durch Wohnviertel, die sehr sauber und ordentlich waren, aber in denen ich mich merkwürdig unwohl fühlte. Ich weiß nicht einmal genau wieso. Ja, die Leute auf den Straßen schauten uns an, aber das ist normal. Aber niemand sprach uns an. Hunde bellten uns an, das war nicht ganz so normal. Und dann sahen wir eine Hündin mit ihren 4 Welpen und Insa lief natürlich sofort dorthin. Knurren. Zwei der Welpen lagen tot auf dem heißen Beton, die Bäuche aufgebläht. Wir gingen schnell weiter. 

Auf dem Weg zum Hostel - kurzer Zwischenstopp bei unserem Fruchtsaftmenschen des Vertrauens (wir haben es geschafft in 2 Tagen Stammkunde zu werden) - hatten wir uns überlegt noch eine Nacht länger hier zu bleiben. Jodhpur gefiel uns und hatte noch mehr zu bieten. 
Wir machten an diesem Nachmittag dann nämlich noch eine billige "Blue City Tour with sunset", die in einen Teil der Stadt führte, in dem wir noch nicht gewesen waren. Etwas mehr blaue Häuser standen hier, denn die blaue Stadt war natürlich nicht durchgehend blau. Pff. 


Blau deshalb, weil es zu heiß gewesen ist, als diese Stadt erbaut worden war. Die Herrscher holten sich Rat aus dem heutigen Iran / Afghanistan / Irak, wo ähnliche Klimabedingungen herrschen und fanden so eine Lösung: Kalk. Weiße Kalkfarbe an die Außenwände gegen die Hitze, vermischt mit blauer Farbe gegen Insekten. 

Natürlich stellte ich nach dieser Erklärung die Frage: Wieso sind dann nicht alle Städte hier blau? Tja, die Inder sind eitel. Sehr eitel (sie sind die Menschen, die am meisten Schmuck am Körper tragen - der Welt) und deswegen konnte kein Nachbar-Maharaja zugeben, dass das schlau war und es nachmachen. Ok. Ob das stimmt weiß ich nicht. 


Eins der Häuser war hier noch traditionell mit der blauen Kalkfarbe bemalt, so dass man beim Anfassen blaue Finger bekam. Insa malte mir einen blauen Punkt auf die Nase. Die meisten anderen Häuser sind mit normaler Farbe blau bemalt, eine Klimaanlage hält die Kälte in den Räumen. So geht's natürlich auch. 

Es gab Fruchtbier. Großartig deshalb, weil das süße und ziemlich leckere Zeug (Insa meinte es wäre widerlich) weder Bier noch Früchte beinhaltet. Super. :D Diese Mehrwegglasflasche kostete 12 Cent. Lala.


Wir kamen noch an einem tollen, künstlichen See vorbei, der als Brunnen dient. Stufen führen bis zum Boden des Beckens und dort befinden sich noch tiefere Brunnen, falls der See in der Trockenzeit mal austrocknen sollte. Ich fragte wie oft das schon passiert sei: nie. Ein Wasserproblem haben sie hier nicht. ;) 


Den Sonnenuntergang schauten wir uns dann von einem kleinen Tempel neben dem Fort an. Das lustigste: Wir trafen alte Bekannte wieder! Die beiden Schweizer aus der Wüstensafari waren (mit immer noch heilen Knochen) auch gerade in Jodhpur. :) Wir unterhielten uns eine längere Zeit und witzelten, dass wir uns vielleicht in der weißen Stadt, unserem nächsten Ziel wieder treffen würden. Aber leider passierte das nicht. 


Der Sonnenuntergang war wunderbar golden über der Stadt, aber schnell vorbei. Also zurück ins Hostel. Chillen und Schlafen in einem kühlen Zimmer. 


Wir hatten für den nächsten Vormittag um 10 Uhr einen Termin bei Flying Fox und frühstückten daher schnell im Hostel, bevor wir zum Fort zurück liefen. 

Flying Fox hat in vier indischen Städten ein Zipline-System aufgebaut und ich bin mir sicher dieses hier ist das tollste! Denn es gab 5 oder 6 verschieden lange Strecken, die über die Mauern des Forts, Felsen, tiefe Abgründe und einen großen See führten. 


Es machte einfach sooooo viel Spaß! Zeeeeeeep. 
Hände an das Seil und die Rolle, abstoßen und Füße hoch. Fliiiieeegen. 

Die erste Strecke war zu flach, so dass ich es nicht bis zum Ende schaffte, also drehte ich mich mit dem letzten bisschen Schwung um und hangelte die letzten Meter zur Plattform. Es war großartig! 

Ich war die letzte auf der allerletzten Strecke, weil ich von allen noch Fotos und Videos machte - keine Ahnung wieso ich plötzlich zur Kamerafrau hochgestuft worden war. In unserer Gruppe waren noch ein paar britische Rentner, die super süß waren und total begeistert bei der Sache. :) 


Am liebsten wäre ich direkt noch einmal alle Strecken gefahren, aber es war nun ziemlich warm geworden in der Mittagssonne und so war ich dann doch froh auf der schattigen Hosteldachterrasse entspannen zu können. Wir warteten quasi so lange es ging (es war wärmer als am Tag zuvor) und fuhren dann raus zu einem Palast. 

Unser TukTuk Fahrer war alt, vermutlich so alt wie sein TukTuk und so fuhr er auch. Wir waren die langsamsten auf der Straße.. Und dann lieferte er uns am falschen Eingang ab, wo uns der Wächter sagte, dass wir dort nicht rein dürften. Also weigerten wir uns auszusteigen und zu bezahlen. Sollte er uns halt zum richtigen Eingang bringen, denn einer aus dem Hostel hatte ihm auf Hindi erklärt wohin, also war es nicht unsere Schuld. Er wollte dafür dann mehr Geld haben, weil es ein Umweg von 4km war, aber das sahen wir gar nicht ein. Er konnte auch kein Englisch also schrie er die ganze Zeit erbost herum und der arme Torwächter musste sich das anhören. Er tat mir leid. Im Endeffekt war auch er es der einknickte, denn er meinte dann, dass wir zu Fuß durch das Tor dürften. Es wären nur 15 Minuten zum Museum. Naja, das war okay für uns also bezahlten wir und stiegen aus. 

Der Palast ist aufgeteilt in 3 Teile. Einmal der Teil, in dem noch immer die Familie des Maharajas wohnt. Natürlich darf dort das gemeine Fußvolk nicht rein. Dann gibt es noch das Museum, wo wir hin wollten und was im Endeffekt wenig spektakulär war. Aber der dritte Teil war spannend und auch der Eingang, den wir aus Versehen genommen hatten, war dafür: Es war ein Hotel. Und zwar nicht irgendeins. Natürlich 5 Sterne und es hatte 2016 den Titel zum besten Hotel der Welt gewonnen. 2018 war es immer noch in den Top 3 gewesen. Cool. Das billigste Zimmer gab es für 500 Euro die Nacht, was eigentlich voll okay ist. Wir buchten es trotzdem nicht. :P


Am nächsten Tag ging es dann weiter in die weiße Stadt: Udaipur. Auch Stadt der Seen genannt. Diese Stadt war die einzige der drei farbigen Städte, die tatsächlich fast durchgängig eine Farbe hatte. Weiß. Ein toller Kontrast zu dem dunklen Wasser und dem blauen Himmel. 


Mindestens einer der großen Seen ist künstlich und unser Hostel lag auf einer kleinen Insel zwischen zwei großen Seen. Viele kleine Fußgängerbrücken, Ghats, Tempel am Wasser, ein großer Palast und einfach eine super entspannte Atmosphäre. Wir beschlossen auch hier zwei volle Tage zu bleiben. 
In den schmalen Gassen fuhren wenige Autos, wir fanden ein Restaurant direkt am Wasser, das günstig war und unglaublich leckeres Essen hatte. Und natürlich besuchten wir den Palast und einen großen Tempel. 


Der Palast war halt einfach wieder einer der vielen Paläste, die wir hier schon gesehen hatten. Schön, aber ziemlich ähnlich zu den anderen in Rajasthan. Spiegel, Farben, Höfe und Zimmer. Aber da jeder Palast, so ähnlich wie auch sind, etwas einzigartiges hat, das ihn von anderen unterscheidet, fand ich auch hier etwas, das mich inspirierte. Bunte Fenster. Rankenmuster, Bögen und die kleinen Zwischenräume gefüllt mit buntem Glas. Erinnerte an Kirchenfenster, nur in schöner, verspielter. 



Wir ließen alles etwas gemächlicher angehen hier und gingen am nächsten Tag wieder zurück zum Palast, von dem auch die Bootstouren starteten. Minuspunkt: man musste noch mal Geld zahlen, um überhaupt zum Bootsanleger zu kommen. Die haben doch nen Knall. Nicht, dass es viel Geld war, verglichen mit der Bootsfahrt, aber es war unnötig. 


Es war schön windig auf dem Wasser und wir sahen die tollen Fassaden nun vom Boot aus, das einmal im Kreis fuhr. Dann landeten wir auf einer netten, kleinen Insel und von dort ging es wieder zurück zum Palast. 





Das war ein schöner, entspannter Ausflug gewesen und da wir nun auf der anderen, von der Innenstadt abgewandten Seite hinaus gingen, waren wir nah an einer Seilbahnstation hoch auf einen tollen Aussichtspunkt über die Stadt und die Seen. Schien nicht sehr touristisch zu sein, denn wir fanden erst den Eingang nicht und dann mussten wir uns etwas verplant den Weg zu den Tickets erklären lassen. Stand irgendwie alles nur auf Hindi dort. 
Aber dafür war es billig und die Aussicht war cool und wenn andere Touristen das nicht sehen wollen, ist das nicht mein Problem. :D So mussten wir auch nicht so lange warten, um wieder runter zu fahren. 


Udaipur, du hast mir wahnsinnig gut gefallen, es war eine tolle Urlaubsatmosphäre. :) Wenn ich auch noch einen Pool gehabt hätte, wäre ich hier einfach nicht mehr weggefahren. :P

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