Dienstag, 2. Februar 2021

Ein italienischer Mittsommernachtstraum

Es ist ein gutes Gefühl
Zu sagen, wir kennen uns noch in zehn Jahren
Es leuchten Buchstaben über der Stadt
Es leuchten Buchstaben über der Stadt

Ich gehe ohne Reue
Ich gehe ohne Furcht
Ich werde allen davon erzählen
Und alle werden verstehen

Wir erinnern uns an alles
An jede Geste, jedes Wort
Und ich gehe, um Dir zu sagen
Es gibt nichts, das man vermisst

Ich fragte nie nach Erlaubnis
Ich fragte mich nur, wo du bist

Ich gehe ohne Reue
Ich gehe ohne Furcht

Es leuchten Buchstaben über der Stadt
Die mich zum Mann gemacht hat
Und was den Himmel erhellt:
Eine der letzten großen Freundschaften der Welt

 Tomte - Was den Himmel erhellt

 

29. August - 02. September 2020: Urlaub! Raus aus den Bergen und rüber nach Italien, um Freunde von Mark und Aleks am Comer See zu treffen. Wir fuhren nicht wahnsinnig früh los, also war ich auch nicht super grummelig, wurde aber schon in den ersten Minuten vom Leben geprüft, als ich am Mont Blanc Tunnel eine 20er Packung Pässe kaufen musste. Liebe ich ja total, wenn ich vor anderen Leuten irgendeinen Kram machen muss, der beinhaltet, dass ich in einer fremden Sprache mit einem anderen Menschen, der auch nicht perfekt Englisch spricht, reden muss. Besonders wenn zwei Muttersprachler mit perfektem Englisch neben mir sitzen. Morgens. Tut das Not? Ich beantworte das mal für euch: Nein.

Naja, immerhin musste ich nicht fahren und als wir nach ein oder zwei Stunden im Regen von dem langweiligen Highway herunterfuhren, konnte ich mich an der Gegend gar nicht genug satt sehen. Wir fuhren fast eine Stunde in Sichtweite des Comer Sees entlang Richtung Norden zu einem kleinen Ort namens Griante, wo sich unsere Unterkunft befand. Schmale Straßen, kleine Cafés und immer wieder ein Blick auf das Wasser des Sees. Unser Airbnb lag in den Hügeln der Stadt oberhalb des Sees. Unser Gastgeber erwartete uns schon an der Straße, lotste uns in einen Hinterhof und zeigte uns dann die großzügige und super ausgestattete Wohnung. 

Was ich am liebsten mache, wenn ich irgendwo neu reinkomme, ist durch alle Schränke einmal durchzugehen und mir anzuschauen, was da so alles drin ist. Ich verstehe gar nicht, dass die anderen beiden sich über mich lustig machten, denn ich hatte so vor einer Woche Marks Besteck gefunden (man kann halt auch mit drei Teilen leben, wenn man will :P). In der netten Wohnung hätte man auch länger bleiben können, aber die Küche würden wir nicht benutzen, wir waren doch in Italien! Njammi, italienisches Essen! Und natürlich Wein. Aleks hatte direkt in einem kleinen Supermarkt um die Ecke eine Flasche besorgt und die tranken wir nun gemütlich während immer einer von uns duschen war. Ich wusste sogar wo die Weingläser waren – ich hoffe ihr bereut euren Spott! :D

 

Die Crew für die nächsten Tage :)


Griante, Comer See

Später holte uns dann Erik ab, der uns zu einem urigen Restaurant brachte, wo wir heute Essen würden (inklusive Temperaturmessung am Empfang). Erik war mit Besarta zusammen in Italien und Besarta kannten Mark und Aleks aus Chamonix. Irgendwie macht dieses kleine Städtchen in den Bergen aus all den gestrandeten Menschen eine Familie. :) Natürlich wurde dann auch viel über gemeinsame Bekannte gesprochen, wobei Erik und ich nur zuhören konnten, aber der Abend sollte noch spannend werden. Es war nämlich noch ein zweites Mädel aus Chamonix dabei, Iga, das wohl hier in der Gegend wohnte und sie war die merkwürdigste Person, die ich je getroffen habe. Sie hatte bei der Vorstellung Aleks gefragt, ob sie die Kanadierin oder die Deutsche sei und seitdem immer irgendwie ein wachsames Auge auf Aleks gehabt. Ich war offensichtlich keine Bedrohung für was auch immer… keine Ahnung, ob das ein großes Kompliment oder eher eine Beleidigung war, aber ich war froh darüber. Sie war recht laut und erzählte von tollen Abenteuern und war dabei auch einigermaßen unterhaltsam, aber manchmal hatte sie gewisse Aussetzer. Einmal verschwand sie ohne einen für mich ersichtlichen Grund wütend auf dem Klo, wohin ihr Besarta folgte und sie überreden konnte wieder zurückzukommen.

Aber etwa eine Stunde später kam es dann zu folgender Situation: Am Nebentisch saß eine recht große gemischte Gruppe und Iga schaute immer wieder herüber, also sagte Besarta scherzhaft, dass sie wohl auf jemanden dort stehen würde und Aleks meinte dazu „den mit der Brille?“.

Was alle als lustiges Herumalbern interpretierten, ließ Iga vollkommen austicken und sie rief vollkommen aufgebracht, dass sie sich das nicht bieten lassen müsse, das würde gar nicht gehen von Besartas Freunden. Aleks versteckte sich etwas verschreckt hinter Erik und ich verstand im ersten Moment gar nicht was gerade vor sich ging. Ich war nur froh, dass ich am weitesten von ihr entfernt saß, denn sie trug keinen gesunden Gesichtsausdruck zur Schau. So etwas habe ich noch nie gesehen, es war, als wenn sie logisches Denken vollkommen ausgeschaltet hätte und nur noch Wut in ihr wäre. Ich dachte so etwas können nur Kinder und das an einem Erwachsenen zu sehen, war milde verstörend.

Während wir alle nur vollkommen gelähmt dasaßen, handelte Besarta vollkommen ruhig und kontrolliert und verwies Iga des Restaurants. Diese knallte noch einen 20er auf den Tisch und verließ dann den Raum, ich glaube diese Freundschaft hatte sich gerade erledigt.

Wir hatten danach auf jeden Fall genügend Gesprächsstoff und dieses etwas traumatische Erlebnis wurde auch in den nächsten Tagen noch ein paar Mal diskutiert. Besarta vermutete, dass Iga wohl von Aleks eingeschüchtert gewesen sei, da diese jünger, schöner und erfolgreicher war als sie. Was für ein verrücktes Erlebnis. Meine Meinung zu Besarta, die ich ja gerade erst kennengelernt hatte, stieg ins Unermessliche für ihre ruhige Reaktion und damit war klar, dass wir uns alle gut verstehen würden in den nächsten Tagen.

 

Aleks und ich von der Restaurantdachterrasse

Wir hatten für den nächsten Tag eine Wanderung geplant, die aber buchstäblich ins Wasser fiel, denn es schüttete absolut unheilig als Besarta und Erik zu uns kamen, um uns abzuholen. Also Planänderung, ab nach unten ins Dorf und dort in ein Café. Unser Wunschcafé war jedoch schon voll, so dass wir in einem etwas fancigen Restaurant mit Dachterrasse landeten. Menschen in Anzügen saßen am Nebentisch und wir liefen in unseren bunten Wanderklamotten rein. Der professionelle Kellner verlor jedoch erst seinen Glauben, als keiner von uns Wein bestellte. :D Als ich dann auch nur Nachtisch haben wollte, hatte ich kurz Angst, dass er sich von der Terrasse stürzen könnte. Tat er nicht und nach einigem hin und her bekam ich dann, nachdem die anderen schon gegessen hatten, meinen Nachtisch.

Inzwischen war es aufgeklart und über dem See leuchtete der blaue Himmel. Also beschlossen wir die Wanderung nun nachzuholen, die in die wunderbaren und erstaunlich steilen Hügel hinter unserer Unterkunft hineinführte. Großartige Aussichten über den Comer See und ein paar allgegenwärtige katholische Kirchen. Halleluja. Auf dem langen Weg lernte ich Aleks und Besarta langsam kennen, denn wir liefen zu dritt einige Meter hinter den beiden Männern und hatten nie abbrechende, lange Gespräche. Ich sage dazu nur: Therapie, Selbstfindung, Beziehungen und Schamanenritual. Der Rest ist eurer Fantasie überlassen, ich labere sowieso schon zu viel in diesem Blog. :D

 


Oben gab ich eine Runde Haribo aus, die ich gestern unter Marks kritischem Blick noch schnell in den Einkauf geschmuggelt hatte – also gab technisch gesehen er sie aus. :P Aleks mutierte zu einem kleinen hüpfenden Kind im Zuckerschock und rannte auf dem Rückweg vorweg. Vielleicht gar nicht so dumm, denn Besarta und ich landeten erstmal auf unseren Hintern – an derselben Stelle.

Irgendwann holten wir Aleks wieder ein, weil sie nicht wusste, wo es lang ging und danach gingen sie und ich vorweg. An einer weiteren rutschigen Stelle zog es mir wieder die Beine weg und Aleks versuchte mich wie ein Kind am Rucksack festzuhalten, worüber wir uns schlapp lachten, bis die anderen aufgeschlossen hatten und Besarta es mir nachmachte und an der gleichen Stelle ausrutschte. Sie war mir sehr sympathisch. :D

 


Wir hatten uns die leckere Pizza, den guten Wein und die kostenlose Wurst- und Schinkenplatte wirklich verdient. Danke Italien, bisher enttäuschst du nicht. :)

 

Der nächste Tag war schon wieder ein Weiterreisetag, den wir jedoch zunächst noch am Comer See verbrachten. Ein wenig an der wunderschön gestalteten Promenade entlang schlendern, dann den Tag in einem Café sitzend beginnen und spontan ein Boot mieten, um den See von einer anderen Seite kennenzulernen. Erik konnte als Däne natürlich jedes Boot fahren und so saßen wir Mädels vorne und betrachteten die vorbeiziehende Landschaft. 

 


Vom See sah alles noch viel schöner aus – kleine Dörfer mit hellorange leuchtenden Häusern, Kirchtürme und volle Cafés am Wasser. Auf einer Insel lag eine schlossartige Villa in einem wundervoll gestalteten Garten und kurzzeitig dachte ich, dass es gar nicht so schlimm wäre reich zu sein. Aber der Gedanke verflog wieder. 

 

Aleks, Mark, Erik, Besarta und ich :)


 


Wir fuhren nicht weit genug, um George Clooneys Villa zu sehen, denn so lange hatten wir das Boot nicht gemietet, also machten wir uns wieder auf den Rückweg. Das Wasser fühlte sich warm an im Gegensatz zu der recht frischen Luft, da sich die Sonne mal wieder hinter Wolken versteckte. Am südlichen Ende des Sees zeigte sich jedoch der erste blaue Himmel und es sah aus als würden wir ins gute Wetter hineinfahren. Unser Ziel für heute lag nämlich in den Weinbergen von Alba, die wir auch ohne größere Probleme erreichten bis beim Abbiegen in die letzte Straße Bauarbeiter die Kreuzung gesperrt hatten, um die Fahrbahn neu zu teeren. Da wir uns jedoch schon mitten im Nirgendwo befanden, konnten wir einfach über einen Grünstreifen daran vorbeifahren.

 

Das Haus war unglaublich. Der komplette obere Stock einer Villa mit großem Balkon gehörte uns, darunter wohnte die Familie, auf deren Weingut wir uns befanden. Das Haus war auf einem Hügel gebaut und überblickte die weiten, grünen Weinberge. Ein Pool lag türkis schimmernd neben der Villa in der Sonne und wartete nur auf uns. Bei gutem Wetter konnten wir im Norden die Skyline der Alpen sehen, das Matterhorn stach als prominenteste Markierung in den Himmel. Wie wunderschön!

Es war warm, es war trocken und die Weinernte der hellen Dessert-Trauben hatte gerade begonnen. Wir konnten uns einfach ein paar der süßen Früchte pflücken und jederzeit naschen, was für ein Himmel auf Erden. Ich habe noch nie süßere, leckerere Trauben probiert als diese hier. Sie waren so reif, dass sie nach einem Tag im Supermarkt wahrscheinlich nicht mehr gut gewesen wären.

Die Trauben, der Pool, die Villa - ich fühlte mich ein wenig wie Alice im Wunderland.

 


Abends kochte Erik für uns ein super leckeres Hühnchen, dazu gab es Wein und Marks vorbereitete Mojitos und langsam wurde die Stimmung ausgelassener. Wir hatten gerade abgemacht ein Spiel zu spielen, als plötzlich alle tanzten und die Musik lauter gedreht wurde. Nur Mark saß noch am Tisch und fragte vollkommen verblüfft: „What just happened?“

Es wurde ein legendärer Abend, besonders wenn man im Hinterkopf hatte, dass man seit Monaten schon nicht mehr in Clubs gehen konnte.

 

Der nächste Tag startete spät und entspannt, denn wir alle hatten etwas mehr als gut gewesen wäre getrunken und dementsprechend keine Lust uns in einen frühen Morgen zu quälen. Ich war die letzte, die unten am Pool ankam, wo alle die warme, italienische Sommersonne genossen.

Als mir zu warm wurde, sprang ich in den Pool und schwamm ein paar Runden. Herrlich. Wie war das nochmal? Reich sein ist blöd? Konnte ich gerade nicht so nachvollziehen, ein privater Pool hat doch nur Vorteile.

 

Zum Mittagessen fuhren wir dann alle zusammen im offenen Cabrio etwa eine halbe Stunde zu einem kleinen Städtchen, wo Erik einen Tisch in einem Restaurant reserviert hatte. Wir litten alle ein wenig auf dieser Fahrt, nur Erik sah tatsächlich frisch aus und ich fragte mich immer öfter, ob er tatsächlich ein Mensch ist. Aber naja, wenn nicht, war er ein sehr netter Außerirdischer oder Roboter. Er bestellte direkt eine Flasche Konter-Wein und nach dem Gläschen und dem leckeren Mittagessen, war ich wieder hergestellt. Wir spazierten danach durch das Dorf, das auch so im Mittelalter hier gestanden haben könnte. Wie süß kann eine Gegend eigentlich sein?

Den Rest des Nachmittags entspannten wir uns alle am Pool und beobachteten die goldene Sonne bei ihrem langsamen Weg in Richtung Horizont. Die ruhige Atmosphäre war einfach perfekt und ich entspannte mich in der Runde. Keiner hatte Lust ein lautes Gespräch zu führen, es war sehr entspannt. Erik ging dann rein, um die Pizzen für den heutigen Abend vorzubereiten und den Ofen im Garten anzufeuern. Besarta half beim Vorbereiten und Aleks kümmerte sich um ihre glutenfreie Variante. Mark und ich wurden abkommandiert noch frisches Basilikum zu pflücken und so machten wir einen kurzen Abendspaziergang durch die Weinberge. Die letzte Wärme des Tages hing noch zwischen den Reihen der Pflanzen und gelegentlich sagten ein paar frei herumlaufende Hühner hallo.

Als der typisch italienische Pizzaofen heiß war, musste man die Pizzen nur noch für eine kurze Minute reinschieben, dann konnte man sie essen und ich weiß nicht, ob ich jemals so leckere Pizzen gegessen habe. Erik, mir ist vollkommen egal wieviel Prozent von dir aus Elektronik bestehen oder ob du zu einer speziellen Supermenschenrasse gehörst, solange du mir diese Pizzen machst, kannst du auch gerne die Weltherrschaft übernehmen! Unser Gastgeber, der kein Wort Englisch konnte, erklärte uns in einem schnellen, begeisterten Wortschwall wie toll er es fand, dass wir den Ofen benutzten und lobte die wunderbare Pizza, wollte sich aber nicht einladen lassen. Die Familie war so süß und gastfreundlich und er strahle so viel Freundlichkeit aus - mein Herz floss über. Hach. Es war eine andere Welt im Vergleich zu Frankreich.

Beinahe endete der Abend mit einer abenteuerlichen Kletterpartie auf den Balkon, denn wir hatten uns ausgesperrt und auf unser Klingeln reagierte niemand. Doch dann kam unser Gastgeber doch noch aus der Hintertür und konnte uns wieder hineinlassen. Wir überlebten alle. :D

Da ich ja kein Morgenmensch bin und Erik immer kochte, machte ich abends nach dem Abwasch noch die Küche sauber und fühlte mich nicht mehr ganz so schlecht.

 

Am nächsten Tag ging es dann auch schon wieder zurück nach Chamonix und dieser Urlaub im Urlaub endete mit einer sonnigen Rückfahrt. Hoffentlich nahmen wir das gute Wetter mit nach Frankreich. Die Strecke durch das wunderschöne Aosta-Tal machte mir schon wieder Lust auf Berge und ich freute mich auf den letzten Teil meiner zweiten kleinen Bergauszeit in diesem Sommer.

 

Es war schön mit euch :*



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