Sonntag, 31. Januar 2021

Gestern Berge, heute Berge, morgen Berge - meine Vorstellung vom Paradies

Glorifying monsters, it sells on TV
If it bleeds, it reads in papers out tomorrow
We say we'll pray for change one day but afraid what it means
Face it, we'll take it, no lessons learned
Talking heads addicted to the sound of their voice
The devil's got us all in his pocket
Mistakes we made and this game we played now change everything
Well we fake it, no lesson learned

I won't be one of your puzzle pieces
Forced into fitting
Pardon me but there's a part of me
That feels something's missing
Are we living or are we just dying?
It's time we wage a war really worth fighting
I don't wanna be another puzzle piece
I don't wanna be part of your puzzle

 Framing Hanley - Puzzle Pieces

 

20.-27.08.2020. Frankreich im August bedeutet zuallererst eins: Touristen, überall. Bei Airbus war jedes Jahr im August kein Arbeiten möglich, weil kein Franzose zu erreichen war - jetzt sah ich die andere Seite: Die ganzen Franzosen, die sonst mit Abwesenheit glänzten, bestachen nun mit ihrer Anwesenheit im Urlaubsort Chamonix. Yay. Große Freude. :D Es war warm, sonnig und voll. Ich war froh, dass wir etwas außerhalb des Trubels wohnten mit Blick auf die Berge und umgeben von ruhigen Gärten.

Besonders mittags war es unglaublich warm in der Sonne, aber da es hier viel weniger schwül war als im Norden, ließ es sich viel besser aushalten. Eigentlich war es sogar sehr angenehm. Warme Tage und kühle Nächte. So wie ich es mag.

Wir ließen es ruhig angehen: einkaufen, entspannt auf dem Balkon Mittagessen, einfach nichts machen nach dem anstrengenden Reisetag. Den kompletten Tag im Zug zu sitzen laugt mich irgendwie mehr aus, als den ganzen Tag Wandern zu gehen.

 

Chamonix von oben

Da wir den vagen Plan hatten eine große Tour in den Bergen zu machen, wollte mir Mark vorher noch eine Sache beibringen, die ich noch nie gemacht hatte und die man mit ziemlicher Sicherheit brauchen würde: Abseilen.

Wir schauten uns gemeinsam ein paar Youtube-Videos an, denn Mark konnte sich auch nicht mehr hundertprozentig an den richtigen Knoten erinnern, dann fuhren wir sein Seil holen. Es war kein Kletterseil, sondern für Gletscher-Rettungen gedacht, aber das musste zum Üben reichen.

Richtung Les Bossons knapp außerhalb von Chamonix liegt eine Felswand mit verschiedenen Kletterrouten direkt neben der Straße. Irgendwie sah es verrückt aus "mitten in der Stadt" so eine Felswand zu haben, aber immerhin musste man so weder Wandern noch einen Lift nehmen, um dorthin zu kommen. Dementsprechend voll war es auch. Nebenan war ein kleiner Park mit Zipline und Kletterwald und die vor uns aufragende Felswand bot auch genug leichte Routen für Kinder und Anfänger, es waren also viele Familien unterwegs.

Wir kamen gegen 11 Uhr dort an und uns fiel noch eins auf, das uns vorher nicht klar gewesen war: Die Wand streckte uns ihre Südseite entgegen. Bei der prallen Sommersonne, die darauf schien, strahlte der Fels die Hitze ordentlich zurück. Wir schwitzten schon bevor wir uns auch nur einen Meter bewegt hatten.

Ein Wandteil in der Mitte, in dem gerade niemand kletterte (wohl auch, weil es dort gar nicht wirklich steil war und man auch ohne Klettern quasi hochlaufen konnte), eignete sich wunderbar für unser Vorhaben. Wir brauchten nur einen Ankerpunkt am Felsen, an dem wir unser Seil ein paar Meter über dem Boden durchziehen konnten und den fanden wir hier.

Mark probierte ein wenig herum, bis er einen Prusikknoten hinbekam, der ihm gefiel und funktionierte und dann konnte er mir zeigen wie man sich abseilte. Also hochklettern, Sicherungsgerät anbringen, Klettergurt und den Knoten dazu. Dann nur noch vorsichtig Druck auf den Knoten ausüben, rückwärts nach hinten lehnen und langsam herunterlassen. War ungewohnt, aber fühlte sich nicht allzu schlimm an.

Etwas weniger Spaß hatte ich am Ende unseres Abseilexperiments als ich Mark sicherte, der noch die letzten Meter die Wand hinabgeklettert kam. Als er sich einmal vorsichtig in das Seil reinlehnte, um sich entspannt herabzulassen, hob ich beinahe ab und dabei fiel er nicht einmal oder machte eine plötzliche Bewegung... Bin mir nicht sicher wie sinnvoll große Gewichtsunterschiede sind bei so etwas. Ich hatte kurz etwas Angst ihn fallen zu lassen, aber er kam gut unten an und so fuhren wir verschwitzt, aber guter Dinge wieder zurück. Generalprobe bestanden, behaupte ich einfach mal.

 

Einziges Foto von Chamonix :D


Ein paar Stunden, einer Runde Yoga (ich, nicht Mark), einer Dusche und ein paar organisatorischen Sachen später, fuhren wir für ein paar Bierchen mit Marks Freunden in die Stadt.

Wir saßen in einem U auf Bänken um einen Tisch herum und unterhielten uns. Warmer Abend, kühles Bier und lustige Menschen. Corona schien weit weg zu sein... Als der Typ neben mir später am Abend aufstand, um aus der Ecke herauszuklettern und auf Klo zu gehen, kam ihm plötzlich ein lockeres Brett der Bank entgegengeknallt. Mein Gesicht verfehlte es netterweise um ein paar Zentimeter, so dass niemand verletzt wurde, aber es bot sich super als Anlass an von den Kellnern einen Pitcher für uns als Wiedergutmachung herauszuschnorren. Großartig! Vielleicht half es auch, dass alle die Kellner zu kennen schienen. Schulterzuck. Ich verstehe das Leben hier nicht, aber es macht Spaß.

 


Die nächsten Tage waren entspannt. Ich ging einmal allein Wandern und sah eine dunkel gefärbte Schlange, die plötzlich vor mir auf die Straße flitzte und sie überquerte. Nach der ersten Schrecksekunde war ich begeistert. So oft sehe ich in meinem Leben nun auch keine Schlangen. Ich glaube nicht, dass sie giftig war, aber ich ging nicht nah genug ran, um das auszutesten. Müsst ihr selbst machen.

Am Tag darauf gingen wir zusammen hoch zum Glacier d’Argentière, etwa 1.000 Höhenmeter vom Tal hinauf in die Berge. Es war ein wenig kühler geworden und hatte morgens auch mal geregnet, so dass heute wunderbares Wanderwetter war. Den Weg mussten wir unten jedoch erst noch suchen, da Mark noch nie im Sommer hier gewesen war, aber dann ging es durch schattige Wälder immer weiter hinauf. Nach etwa einer halben Stunde bekam ich Hunger und bemerkte, dass ich vergessen hatte zu frühstücken. Na supi, das war ja wieder besonders schlau gewesen. Immerhin hatte Mark ein paar Gummibärchen eingepackt und rettete so vielleicht nicht mein Leben, aber immerhin meine gute Laune. Nach etwa zwei Stunden erreichten wir das untere Ende des Gletschers, den ich viel lieber „Icefall“ nennen möchte, denn so sah es aus. Gletscher ist einfach nicht das richtige Wort für die tiefen, geheimnisvoll tiefblau-grau leuchtenden Spalten und die zerklüfteten, fantasievollen Eis-Türme, die sich direkt vor uns befanden. Man sah keine Bewegung, doch immer wieder hörte man das Eis knacken und das Krachen von einstürzendem Eis. Der Wind kam wieder aus den Bergen und brachte den Geruch nach Eis, Stille und Gefahr mit sich. Ich bekomme immer Gänsehaut davon. 

 



Wir machten auf ein paar sonnenwarmen Felsen eine Pause und beobachteten das Eis. Hier öffnete sich auch der Blick auf die tiefer liegenden Berge, eine ganz andere Landschaft als das Tal unter uns. Hach, Berge. :) Gegenüber lag die Spitze des Aiguille du Chardonnet in Wolken und ich bekam Sehnsucht nach mehr als nur Wandern. Leider war es nicht einfach einen Guide zu finden, weil jetzt so viele Touristen hier waren, dass alle ausgebucht waren. Wir schienen nicht die einzigen zu sein, die gerne in die Berge wollten. Seufz.

Es gab dann auch noch einen Felssturz auf dem Dent du Géant und einen weiteren großen auf der italienischen Route des Matterhorns, von dem Mark von einem Bekannten erfuhr, der an diesem Tag dort oben gewesen war. Er hatte zwei langsamere Wanderer vor sich gehabt und konnte nicht überholen, weswegen er frustriert hinter denen geblieben ist. Im Endeffekt rettete ihm das vermutlich das Leben, denn als der Felssturz kurz unten den dreien passierte, wäre er eigentlich schon dort gewesen. Ein Helikopter rettete sie dann aus den Bergen.


Gipfel der Aiguille du Chardonnet (3.824m) und ein gelber Pfeil, unter dem ein Mensch steht (Größenverhätnisse sind auf Fotos immer so schwer festzuhalten)

Ein kurzer Abstieg brachte uns zu einer kleinen Hütte, bei der man etwas Essen und Trinken konnte und ich war so hungrig, dass ich kurz davor war mich mit dem Hund zu prügeln, als Mark anfing diesen mit seinen Resten zu füttern.

Danach ging es auf einem anderen Weg hinunter: Skipisten, Schotter und ungeschützte Sonne. Ich war froh, dass wir den anderen Weg hinaufgenommen hatten. Es war nicht wahnsinnig schön und so liefen wir so schnell es ging und überholten einen Haufen anderer Wanderer. Andere Menschen zu überholen macht mich immer sehr glücklich - ich stelle diesen Teil meines Charakters einfach mal nicht in Frage.

 

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Unsere nächste Wanderung ging entspannt zu einem Wasserfall in der Nähe der Midi-Station, wo wir mit den Rädern hinfuhren und dann wandern gingen. Es ging durch schattigen Wald und auch nicht so weit hinauf, so dass es einfach nur ein sehr angenehmer Tag wurde. Für mich. Mark meinte er müsse für verrückte Bergabenteuer trainieren, hatte sein Kat-C-Schuhe an und mehrere Liter Wasser im Rucksack. Kann man machen, aber ich glaube er hasste mich zwischenzeitlich, wenn ich fröhlich vorweg lief und er grummelnd seine 6kg hinaufackerte. Es waren kaum Menschen unterwegs und so sahen wir mehrere schwarze Eichhörnchen und einen schwarzen Vogel mit rotem Kopf. Ein Specht? Die Farben des Waldes waren sommerlich kraftvoll mit roten und orangenen Beeren im Kontrast zu dem satten Grün.

Wir kamen an der obersten Stufe des Cascade du Dard an, der sich dort laut rauschend seinen Weg ins Tal suchte. Kleine Pfade führten hinab und erlaubt immer wieder andere Ausblicke auf den Wasserfall, bis man unten ankam. In der Nähe war auch eine Hütte und ein kleiner Parkplatz, also waren hier auch mehr Menschen, aber es war immer noch eine nette Atmosphäre. Man konnte direkt bis zum Wasserfall herangehen, der einen mit kühlem Sprühregen begrüßte.   

 

links: oberer Teil, rechts: unterer Teil des Wasserfalls


Ein kleiner Umweg brachte uns zurück nach Chamonix, er war eine nette kleine Wanderung gewesen. 

Am nächsten Tag wollte ich mir Schuhe und Steigeisen ausleihen für eine Tour in die Berge, die aber in letzter Minute abgesagt wurde. Menno. :( Ich hoffte wir würden an einem anderen Tag noch mal die Möglichkeit haben…

Ich hatte vormittags ein Video-Teammeeting gehabt und mit der weißen Wohnzimmerwand niemandem einen Hinweis auf meinen Aufenthaltsort gegeben. Dass ich von meiner Position ohne Probleme den Mont Blanc sehen konnte, verriet ich nicht, aber es ließ mich das ein oder andere Mal schmunzeln. Hihi. Das Leben ist schön.

 


Symbolbild :P


Der nächste Tag wartete mit einer wunderbaren, langen Wanderung auf uns: Der Wanderung zur Refuge Albert I. Dazu fuhren wir das Tal bis fast an die Grenze zur Schweiz hinab, bis nach Le Tour. Von dort konnte man auch einen Lift etwas weiter hoch nehmen und sich 500 Höhenmeter sparen, aber Schummeln gibt es nicht. Und so würden wir die 1.300 Höhenmeter zur Seitenmoräne des Glacier du Tour (ein Tal weiter als der Glacier d’Argentière) sowohl hoch als auch wieder hinab laufen. Mark hatte sich wieder den Rucksack vollgepackt, so dass ich besonders am Ende fröhlich vor lief und immer wieder auf ihn wartete. Im Tal ging es zunächst quer über eine Kuhweide und dann durch einen kleinen, offenen Wald bis es in den steinigen, sonnigen Aufstieg ging. Kein Schatten und jeder Schritt ging bergauf, wir schwitzten.

Dieser Gletscher war nicht ganz so spektakulär wie der andere, aber immer noch schön anzusehen, besonders da wir die letzten paar hundert Meter direkt neben ihm auf einem steinigen Grat entlangwanderten.

 

Blick hinab nach Le Tour

Die Hütte liegt auf etwa 2.700m und bietet den Einstieg für viele kleine Touren hier: sowohl auf den Gipfel der Aiguille du Tour als auch der Aiguille du Chardonnet, die wir letztes Mal von der anderen Seite gesehen hatten, können von hier bestiegen werden.

Auf den Holzbänken der Hütte machten wir unsere Mittagspause, wozu wir Jacken überziehen mussten. Die Sonne versteckte sich plötzlich hinter Wolken und so nassgeschwitzt wie wir waren und mit dem kühlen Wind der Berge wurde es schnell ungemütlich. Wir blieben dementsprechend nicht ewig und machten uns kurz darauf wieder auf den Rückweg. Diesmal über den längeren, weniger steilen, dafür aber mit schönen Aussichten bespickten Pfad in Richtung der Seilbahnen. Das war auch gut, denn bis dieser Weg etwa auf der Hälfte des steinigen Grats abzweigte, war ich schon dreimal ausgerutscht. Kieseliger Untergrund ist wirklich mein Endgegner.

 


In einem weiten Bogen kamen wir langsam zurück zum Parkplatz und da wir beide nun nicht mehr ganz so außer Atem waren, konnten wir uns auch wie normale Menschen unterhalten. Mark brachte mir englische Wörter bei, die nicht so geläufig waren, ich brachte ihm zwei Sätze Deutsch bei und dann philosophierten wir über ein ziemliches altes Paar, das abseits des Weges in einer steilen Wiese stand. Der Mann kam sogar mit seinen Wanderstöcken kaum vorwärts, ich weiß nicht mal wie es die beiden so weit hoch geschafft hatten, so klapprig sahen sie aus. Vielleicht waren sie mit dem Lift hinaufgefahren. Aber die eigentliche Frage war doch: Wieso waren sie in dieser Wiese und nicht auf dem Weg? Ich vermutete, dass die Frau gerade versuchte ihren Mann umzubringen, aber irgendwie gäbe es dafür doch auch einfachere Wege? Es wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Menschen sind komisch.

Nach 10 bis 12km waren wir wieder am Auto und da Mark die Tour aufgezeichnet hatte, wussten wir, dass wir sogar ziemlich flott gewesen waren. Yay! Eine wirklich schöne, empfehlenswerte Wanderung. Aber waren sie das nicht alle hier? Sommer, Sonne, Berge, Gletscher und blauer Himmel. Wälder und Blumen, Flüsse und Wiesen. Hach.

 


Am nächsten Tag machten wir noch ein letztes kleines Abenteuer in den Bergen, bevor es in einen kleinen Urlaub gehen würde (ha, weil das hier ja kein Urlaub war :D). 

Wir fuhren etwa eine halbe Stunde raus nach Passy, kletterten in Haarnadelkurven den Berg hinauf und parkten dann auf einem Wanderparkplatz in einem kleinen Wäldchen. Für den Nachmittag war Regen angesagt und so zeigte sich der Himmel in einem eintönigen Grau. Noch 20 Minuten zu Fuß durch den Wald bis zum Einstieg in den Klettersteig, den wir uns für heute herausgesucht hatten.

 

Via Ferrata de Curalla:

Schwierigkeit: C
Wandhöhe: 170 Hm
Einstiegshöhe: 1.250 m
Klettersteiglänge: 500 m
Durchstiegsdauer: 1 Std.
Exposition: Süd

 

Ich habe tatsächlich kein einziges Foto von dem Klettersteig, was mir für euch sehr leidtut, denn kein Mensch will mein Geschwafel lesen, oder? Tja, Pech gehabt, da müsst ihr nun durch. Es ging steil los auf Eisentritten, die in die vorgelagerte Felsklippe gebohrt worden waren, was das ganze recht leicht machte. Mark ging diesmal vor, wir kamen gut voran. Dann jedoch kamen wir kurz darauf in eine recht lange Traverse mit wenigen Tritten und noch weniger Handläufen außer dem äußerst locker hängendem Sicherungsseil. Man musste sich auf einem teilweise schrägen und nur wenige Zentimeter schmalen Absatz entlangschieben und genau als ich mitten in dieser unsicheren Stellung war, ging ein kurzer, sehr heftiger Schauer nieder. Kaum genug Wasser, um uns tatsächlich nass zu machen, aber er reichte aus, um den Felsen rutschig zu machen. Ich war nicht begeistert. Ganz und gar nicht. Mark war schon um die Ecke verschwunden und ich kämpfte mit schwindender Trittsicherheit und meinen Laufschuhen, die auch kein wirklich tolles Profil hatten. Keine Möglichkeit für meine Hände und hundert Meter Abhang unter mir. Hallo Puls.

Ich schaffte es jedoch ohne abzurutschen (es wird euch vermutlich überraschen, dass ich überlebt habe und hier nicht als Geist schreibe) und danach wurde alles wieder viel entspannter, so dass es noch einmal Spaß machte. Es ging in ein paar nette Kletterstellen, die auch mit Überhang waren und genau an so einer Stelle liefen wir auf zwei ziemlich langsame Wanderer auf, so dass ich versuchte mich irgendwie im Überhang gemütlich einzurichten. Sicherungskarabiner an den Handlauf und Beine in die Luft – könnte schlimmer sein. Ich war ein wenig genervt, weil die Frau vor uns die ganze Zeit nur Vlogs oder Geheimnachrichten (man weiß es nicht, mein Französisch hat sich nicht großartig verbessert) mit ihrem Handy aufnahm und der Typ, der wohl ihr Guide war, sie noch zusätzlich mit einem Seil sicherte, was die beiden so langsam machte. Er tat mir ein wenig leid. Mark war um einiges entspannter als ich oder einfach nur netter und quatschte ein wenig mit ihm, ich grummelte vor mich hin und versuchte die wolkenverhangene Aussicht ins Tal zu genießen. An guten Tagen soll man von hier wundervolle Sichten auf den Mont Blanc haben, wovon ich heute natürlich nichts sah.

Der Mann stellte sich dann als netter Typ heraus und ließ uns an einer geeigneten Stelle überholen und danach dauerte es nur noch ein paar Minuten, bis wir oben aus dem Klettersteig herauskamen. Es dauerte fast länger auf steilen Pfaden wieder nach unten zum Auto zu laufen. Aber wir beeilten uns und schafften es vor dem Weltuntergang ins Auto. Sind wir gut oder sind wir gut?

 

Habe ein paar Bilder von anderen Leuten herausgesucht :) (Quelle: hier)


Da mal wieder Freitag war, mussten wir abends natürlich in die Stadt und uns mit Leuten treffen. Diesmal war es jedoch eine echt große Gruppe, von der ich nur zwei Leute kannte und einer davon quatschte gefühlte Ewigkeiten mit Mark über Programmieren oder etwas anderes, das vollkommen außerhalb meines Wissensrepertoire lag, so dass ich etwas verloren daneben saß und Leute beobachtete. War wohl nicht so mein Tag heute.

Aber dann kam noch ein Mädel dazu, das ich nicht kannte: Aleks. Ich wurde aus meiner sozialen Langeweile erlöst und lernte diese super nette Kanadierin kennen, mit der wir morgen in den Urlaub fahren würden. Yay, der Abend wurde doch noch spannend und lustig!

 

Aber davon nächstes Mal mehr. Es wird eine Pause von den konstanten Bergbildern geben. Freut euch. ;)

 



Sonntag, 24. Januar 2021

Ein Sommertraum in merkwürdigen Zeiten

So, do it. Decide.
Is this the life
you want to live?
Is this the person
you want to love?
Is this the best you can be?
Can you be stronger?
Kinder? More passionate?
Decide.
Breathe in.
Breathe out.
And decide.

- Meredith Grey

 

Diesmal wird's kurz und nicht sehr knackig. Lol, sorry. ;) Aber danach geht es dann auch wieder mit Reiseberichten weiter. Ich schwöre.

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Juli / August 2020: Der absolut spannende Grund, warum ich wieder nach Hause zurück fuhr war, dass meine Eltern für zwei Wochen in den Urlaub fuhren und ich das Haus sitten durfte. ;) Wobei ich das natürlich auch gerne mache, ein bisschen entspannen von dem ganzen „Reisen“ kann ja auch nicht schaden.

Ich füllte die Zeit mit allerhand Aktivitäten, die ich am Ende des Jahres schmerzlich vermissen würde: Freunde treffen, Bouldern gehen, Spieleabende (und Andor-Schlachten), Korbballtraining, Grillen in meinem Garten (gut, der Spaßfaktor im Winter hält sich dabei sowieso in Grenzen), Familienbesuche (ich traf meinen jüngsten Neffen 1. Grades zum ersten Mal), Schwimmen gehen, Stühlerücken, Gemüse aus dem Garten ernten und den Bau der Toilette planen, Geburtstagsfeiern (mit echten Menschen, aber immer schön draußen, war ja eh warm bis spät in die Nacht), Büsche radikal schneiden (vielleicht bin ich etwas zu sehr ausgerastet – upsi, sorry, Miri) und eine Sternschnuppe sehen (hätte aber auch nichts gegen Winterschnuppen). Tagebuchschreiben musste ich auch noch nachholen, denn ich hing natürlich nicht nur mit dem Blogschreiben hinterher, sondern vergaß bei den ganzen spannenden Aktivitäten auch gerne mal meine Reisetagebücher zu füllen, wenn ich unterwegs war.

 

Sommerwochen im Garten, am See und bei Radtouren durch die Gemeinde


Korbballtraining und viele Aktionen mit der Mannschaft <3 - in der Mitte eine Andor-Schlacht - Kanufahrt auf der Aller: All diese Aktivitäten kommen mir nun vor wie merkwürdige Träume aus einem anderen Leben.. schon komisch.

Achja, und natürlich hätte ich auch wieder anfangen sollen zu arbeiten, denn mein eines Jahr unbezahlter Urlaub war am 1. August abgelaufen. Wie im letzten Post jedoch angekündigt, wurde ich direkt in Kurzarbeit „geschickt“ und war somit auch weiterhin 100% meiner Arbeitszeit zu Hause und hatte nichts zu tun. Eine offizielle Aussage der Personalabteilung war außerdem, dass ich das Land nicht verlassen dürfte. Grummel. Wie gut, dass auch in Norddeutschland gutes Wetter war, so dass ich oft mit Insa Rad fuhr und im Silbersee schwimmen ging. Wann bin ich dort denn das letzte Mal zum Schwimmen gewesen? Kindheitserinnerungen kamen auf.

Mit Miri zusammen fuhr ich nach Celle, wo wir uns mit unseren Cousinen Mena und Dani trafen. Da ich zu unserem Weihnachtstreffen nicht da gewesen war, war es das erste Mal, dass ich die beiden seit der Reise wiedersah. Was für eine tolle Zeit! Wir nutzten das warme Sommerwetter für eine Kanutour auf der Aller, legten eine Schwimmpause ein, wanderten durch die Celler Innenstadt und aßen Eis. Gespräche. Sommer. Familie. <3 Alle Sorgen scheinen so weit weg zu sein. :)

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Mama und Papa kamen aus Dänemark wieder und ich merkte, dass ich in nächster Zeit nicht arbeiten würde. Was also mit meinem Leben anstellen? Wieder anfragen, ob ich auf dem Hof aushelfen könne? Auch eigentlich keine Dauerlösung… Ich beschloss jedoch den Weg zu gehen, der am meisten Spaß bieten würde und plante noch eine zweite kleine Sommerreise. Es würde zurück nach Chamonix gehen – Berge wir sehen uns bald wieder!

Ich würde meiner Firma einfach nicht sagen, dass ich mich in Frankreich aufhielt, dann würden sie das auch nie erfahren. Wie auch? An den Teammeetings kann ich aus jedem beliebigen Land teilnehmen und so stand der Plan fest. Vorfreude bis zum 19.08., denn dann wäre ich wieder unterwegs! Mark hatte netterweise angeboten mich noch ein weiteres Mal bei sich aufzunehmen (doof, wenn man zu lieb ist und Madame keinerlei Skrupel hat das auszunutzen *böse Lach* - Scherz, danke schon mal!!).

Und weil hier vermutlich niemand noch mehr von meinem kleinen Brinkumer Sommertraum lesen möchte (wahrscheinlich liest den Blog eh nur meine Mama und später meine Enkelkinder, wenn sie ein Schulprojekt über irgendwelche komischen Zeiten ausarbeiten müssen – ich sage an dieser Stelle mal Hallo an die Zukunft :D), kann ich eigentlich direkt wieder mit der nächsten Reise starten.

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Am Tag bevor es losgehen sollte, packte ich meinen Rucksack mit den wichtigsten Klamotten, nämlich auf jeden Fall meinen Klettersachen, Helm und Stirnlampe, denn Mark hatte mich gefragt, ob wir nicht irgendein verrücktes Bergabenteuer zusammen machen wollten. Natürlich hatte ich begeistert zugesagt. Als ich abends im Bett lag, fielen mir noch ein paar Dinge ein, die ich morgens noch einpacken musste, sie dann aber vergaß, naja, musste auch so gehen.

Viel zu früh musste ich nämlich los, Papa brachte mich zum Hauptbahnhof und dann fuhr ich von Bremen nach Köln, hatte dort 3 Minuten Verspätung, so dass aus meinen 4 Minuten Umsteigezeit nur eine wurde, aber es klappte alles. Weiter nach Basel, tschüß Internet (ich habe dich eh nie gebraucht *heul*) und dann über Biel nach Genf. Diesmal holte mich Mark jedoch nicht dort ab, so dass ich zum Flixbus-Platz lief, dort eine Stunde wartete und dann mit dem Bus rüber nach Chamonix fuhr. Sobald ich über die Grenze kam, konnte ich auch sagen, wann ich in etwa ankommen würde, so dass Mark mich vom Bus abholen konnte. Da seine neue Unterkunft nicht mehr in Chamonix direkt war, sondern im benachbarten Les Praz, hatte er netterweise ein zweites Fahrrad organisiert und beide nach Chamonix reingebracht, so dass wir nach einer Fressattacke beim Inder, die sich nach dem langen Tag bei mir angestaut hatte, mit den Rädern am Fluss entlang zurückfahren konnten. Da wir noch zufällig zwei Freunde getroffen hatten, war es mittlerweile auch schon stockdunkel und wir hatten keine Lichter an den Rädern. Wir fuhren langsam, um nicht im Fluss zu landen, Mark leuchtete uns irgendwann den Weg mit seinem Handy... Aber dann zwang ich uns zu einer Pause, denn ich hatte plötzlich den wahnsinnigen Sternenhimmel über uns entdeckt. Die Nacht war so klar, dass man sogar den hellen Schleier der Milchstraße sehen konnte. Wie unglaublich schön!

Das Apartment hatte einen schönen Balkon mit Blick auf den Mont Blanc und so verbrachte ich dort schon in den ersten Stunden hier sehr viel Zeit. Sterne am Abend und als ich plötzlich gegen 7 Uhr morgens wach war, schnappte ich mir eine Kuscheldecke und beobachtete den Sonnenaufgang auf den weißen Flanken des Mont Blanc und der umliegenden Berge. Kann es etwas Schöneres geben?

Ich würde mich ganz sicher hier wohlfühlen in den nächsten Wochen. :)

 

Entspannter Morgen auf dem Balkon in Les Praz mit Blick auf die Aiguille du Midi (links), den Mont Blanc (mitte) und vermutlich die Aiguille de Bionnassay (rechts)



Freitag, 22. Januar 2021

Chamonix, Berge und Freiheit

It's not the mountain we conquer, but ourselves.

- Edmund Hillary

 

Mont Blanc (Mitte, weißer Hügel hinten)

18.-23.07.2020. Hallo und herzlich Willkommen zurück in Frankreich. Ich war also weiterhin bei Mark in Chamonix und genoss es in den Bergen zu sein. Chamonix ist spannend, anders als ich erwartet hatte. Wer mich kennt, weiß, dass ich kein großer Fan von Franzosen bin (sorry an meine französischen Freunde, die es irgendwie trotz ihrer Nationalität in mein Herz geschafft haben), also hatte ich nicht wirklich erwartet, dass ich mich hier so wohlfühlen würde. Aber Chamonix ist irgendwie auch zerrissen:

- Auf der einen Seite die französische Bevölkerung: Geschäfte, Cafés, Restaurants und Bäckereien (ahhh, Baguette und Croissant – damit wäre mein Französisch auch schon nahezu ausgeschöpft, oui?). Und vergiss den Wein und Käse nicht, Mareike! Hallo Vorurteile. :)

- Und auf der anderen Seite: die ganze bergsportbegeisterte Community, die aus den weltbesten Extremsportlern, Aussteigern und vielen Outdoor-begeisterten Menschen mit Homeoffice-Berufen besteht, die sich alle diese Bergkulisse als Wahlheimat ausgesucht hatten. Man hörte öfter Englisch auf den Straßen und in den Kneipen als Französisch und was hier bei einem Bier an Anekdoten erzählt wird, wäre überall anders ein Grund ein Buch über sein Leben zu schreiben… Leichenfunde im Gletscher, Bergrettungsdienst als Kurzwahl im Telefon? That’s life. (Ich habe die Direktwahl zum Rettungshubschrauber auch immer noch in meinem Telefon, fällt mir dabei gerade ein). Junger Typ bricht sich den Rücken beim Mountainbiken und fährt dann kurz danach mit dem Rad in die Stadt? Eskalation bei seinem älteren Bruder, der sich um ihn kümmert und nun zum ersten Mal im Leben deren verzweifelte Mutter verstand, die es mit diesen beiden Söhnen sicher nicht leicht hatte. Die beiden Jungs hatten hier zusammen wohl schon so oft den Heli gebraucht, um irgendwo gerettet zu werden, dass die Gruppe den Hubschrauber liebevoll „Nachname-Express“ nannte (sorry, werde keine Namen nennen). Naja, beim Spazieren in den Bergen überholen einen regelmäßig ausgemergelte, super trainierte Läufer, von denen hier einige in den Bergen für den Ultra-Trail du Mont-Blanc trainieren (Ultramarathon mit über 170km, mehr als 10.000 Höhenmetern und einem Zeitlimit von 46,5 Stunden – haha, vielleicht im nächsten Leben). Chamonix ist auch vermutlich die einzige Stadt der Welt, in der du nicht cool bist, wenn du mit einem (Eis-)Pickel durch die Gegend läufst. Traurig für mein armes Ego… Man trifft weltbeste Kletterer, die hier als Guide die Hälfte des Jahres ihr Geld verdienen und Dullis wie mich die Berge hinaufschleppen, um den Rest des Jahres neue Routen auf der ganzen Welt zu erklettern. Ein Mädchen mit wunderschönen Augen erzählt mir, dass sie an einem autobiografischen Buch über ihre Kletter-Familie schreibt. Ich finde das wunderschön und stelle mir vor wie sie viele ihrer Verwandten befragt, bis ich später auf Wikipedia lese, dass ihre Mutter auf dem Rückweg vom Gipfel des K2 tödlich verunglückte, nachdem sie kurz zuvor ohne Sauerstoff und ohne Hilfe auf dem Mount Everest gewesen war. Der Bruder des Mädchens kam erst vor kurzem bei einer Winterbesteigung des Nanga Parbat ums Leben. Die Berge nehmen sich ihren Anteil an unseren Leben. Manch einer geht und kommt nie wieder und doch trifft man niemanden, der ihnen den Rücken kehren könnte. Sie ziehen uns alle immer wieder magisch an.

 


Da ich jedoch keine große Todessehnsucht hatte, machten Mark und ich eine schöne entspannte Wanderung zu „La Jonction“, einer Weggabelung der anderen Art. Man stieg nämlich zwischen zwei Gletscherzungen hinauf, bis man auf über 2.500m zwischen diesen beiden steht und die einmalige Natur zum Greifen nah ist. Hübsche Waldwege führen einen stetig nach oben, dann wird das Gelände offener, man muss oftmals über Geröll und Steine kraxeln. Am Ende mussten auch kurz die Hände für ein wenig leichtes Klettern benutzt werden. Alles in allem also eine Wanderung nach meinem Geschmack.

Auf der massiven Felshalbinsel zwischen den breiten Strömen weißen Schnees, strahlten die dunklen Felsen die nachmittägliche Sonne warm zurück und wir setzen uns erst einmal hin. Snackpause und Berggipfel anstarren. Ich konnte mich kaum satt sehen. Die Zunge des Glacier des Bossons ist die tiefst gelegenste Gletscherzunge der Alpen und auch eine der am schnellsten fließenden. Wir waren weit oben, auf diesen Gletschern fingen auch einige Bergexpeditionen an, man konnte hier unterhalb des Mont Blanc in dessen Richtung aufbrechen. Ich musste mich immer wieder zwingen meine Augen von dem weißen Strahlen abzuwenden, um keine Probleme zu bekommen. Hier oben war die Freiheit der Berge zum Greifen nah.

 

Die Bilder sprechen für sich

 

Ich kletterte hinab zum Gletscher und erkundete die kleine Höhle unterhalb des Eises, Tauwasser tropfte um mich herum und das Eis leuchtete Blaugrau. Wie ein kleines Kind freute ich mich, als ich das Eis anfasste. Wie alt mochte dieser Teil wohl sein? 10 Jahre? 15? Oder sogar hunderte? Von zwei Flugzeugabstürzen in den 50er und 60er Jahren wurden in den letzten Jahren noch einige Sachen freigespült. Faszinierend.

Zum Abschluss wagten wir uns noch ein paar Meter hinauf auf das Eis, das an dieser Stelle ohne Spalten war – die Spuren vieler anderer Leute erzählten uns, dass diese Stelle wohl sicher war. Langsam kamen Wolken über die Berge gezogen und blieben an den Gipfeln hängen. Weiße Watte vor dunklem Felsen. Wir machten uns auf den Rückweg. Wir liefen flotten Schrittes, an einigen Stellen rannten wir sogar. Die Herausforderung von Stein zu Stein zu springen und sich voll und ganz auf den nächsten Schritt zu konzentrieren war wunderbar erfrischend. Ich glaube Trailrunning könnte mir Spaß machen. :) Wir waren in Rekordzeit wieder unten.

 


Den nächsten Tag entspannten wir uns dann mal und gingen nur in der sonnigen Innenstadt spazieren, die malerisch vor den Bergen an einem Fluss lag. Bunte Blumenkästen am Ufer, kleine überdachte Holzbrücken, Cafés und Restaurants und natürlich Outdoorläden. Jede Marke, die etwas auf sich hielt, hatte hier ein Geschäft. Wir kauften Eis, gingen durch die süßen Fußgängerzonen und genossen die entspannte Atmosphäre. Später telefonierte ich noch mit Insa und überlegte mir Pläne für den nächsten Tag.

 

Mark musste nämlich arbeiten (boooo) und deswegen hatte ich den ganzen Tag für mich. Es war wieder wundervoll sonnig, keine Wolke trübte den blauen Himmel. Da es ein warmer Sommertag war, zog ich kurze Sachen an und ging dann los. Einmal schnell zur Talstation der „Aiguille du Midi“ spaziert und dann Schockstarre. Wo kamen die ganzen Leute her? Chamonix war über Nacht zur Touristenhochburg geworden? Invasion? Was war hier los? Montag und der ganze Platz war voller wartender Menschen. Hm, mit dem Gefühl einer schlechten Vorahnung stellte ich mich zu den Wartenden in die sonnige Warteschlange. Als ich endlich dran war, bestätigte sich mein Verdacht: die nächste freie Gondel wäre um 14:20 Uhr. Ohje, ich würde somit nichts anderes mehr machen können heute. Ich überlegte kurz, wollte es aber trotzdem machen, denn die Aiguille du Midi war schon ein Highlight. Die nette Dame hinter der Scheibe sah wohl, dass ich etwas traurig war und plötzlich fragte sie mich, ob ich alleine wäre. Ja? Sie habe noch ein Ticket übrig, das nicht abgeholt worden war und für 11:40 Uhr wäre. Außerdem koste es 15 Euro weniger und somit nur knapp über 50 Euro. Hallo, natürlich nahm ich es, versuchte meine Dankbarkeit in Worte zu fassen, da ich die Dame ja schlecht umarmen konnte und ging mit meinem neuen Schatz (der Reservierung für die Gondel) glücklich erstmal frühstücken.

 

Hände desinfizieren, Maske und Temperaturmessung, dann durfte ich eine Stunde später in die Gondel einsteigen. Es war unangenehm voll und ich fühlte mich ziemlich unwohl zwischen all den Menschen ohne Abstand. Ich hoffte, dass es schnell gehen würde. Zunächst ging es hinauf zur Mittelstation auf 2.300m, dann Umstieg in die zweite Gondel, die an einem einzigen kilometerlangen Seil in Rekordzeit hinauffährt auf über 3.700m. Schlucken für den Druckausgleich. Ja, es ging schnell. Für Babys ist die Fahrt verboten, für Kleinkinder nicht empfohlen – Höhenkrankheit ist durchaus möglich bei diesen Höhen und dem schnellen Aufstieg. 

Beim Aussteigen kam mir eiskalte, trockene Luft entgegen und ich zog schnell meine schlauerweise noch eben eingepackte Jacke über. Gegen die Gänsehaut auf den Beinen konnte ich wenig machen, aber es war ja immerhin sonnig. Wir standen auf den Felsen einer Bergspitze weit über dem weißen Meer der Gletscher, nebenan der Gipfel des Mont Blanc. Absolut verständlich, dass diese Fahrt so viel Geld kostete – so einfach waren Berge und Bergaussichten noch nie gewesen.

 

 

Ein paar Stufen führten mich auf eine Aussichtsplattform und ich kämpfte mit meinem Atem. Der ein oder andere musste auf der Hälfte der Treppe stehen bleiben, wo ist denn der ganze Sauerstoff plötzlich hin? Eine kleine Ausstellung über die Höhenkrankheit klärte einen auf, man konnte also entspannt seine eigenen Symptome untersuchen. Ich ließ mich vor dem Gipfel des Mont Blanc fotografieren, lauschte den Gesprächen von anderen Touristen und wanderte durch das tunnelartige System von Gängen und Aussichtsplattformen. An einer Stelle wartete ich auf unter mir am Felsen aufgetauchte Kletterer, die gerade diese Steilwand bezwungen hatten – sie sahen nicht so fertig aus, wie einige der Flachlandtouristen hier. Wow. Tief unter mir sah ich immer wieder kleine dunkle Punkte auf dem weißen Gleißen, die sich langsam bewegten. Wanderer in den Bergen auf dem Weg oder Rückweg auf die umliegenden Gipfel. Ich wollte auch!

 

Mareiki vorm Mont Blanc

Um 14 Uhr hatte ich meine Gondel zurück, die einem schon beim Ausstieg zugeteilt worden war, damit man bis zum Ende des Tages auch alle Leute wieder vom Berg heruntergeschafft hatte. Ich stieg an der Mittelstation aus, weil ich noch Wandern gehen wollte. Herrliche warme Luft begrüßte mich, ich war zurück im Sommer. Ich versuchte den Schildern zum Lac Bleu zu folgen, aber irgendwie waren plötzlich sowohl Weg als auch Schilder weg und kein See in Sicht. Naja, da ich weiter unten einen Weg sah, folgte ich einigen kleineren Pfaden querfeldein und folgte dann diesem Weg, der sich mehr oder weniger flach verlaufend an der Flanke des Berges entlang wand und bis hinüber nach Montenvers führte. Er war auch gut besucht, so dass ich immer mal wieder Familien und andere Wanderer überholte. Mark schrieb mir, dass er vielleicht einen Guide für uns für morgen gefunden hätte und so musste ich gegen 18 Uhr wieder in der Stadt sein, was meine Zeitplanung etwas straffte. Ich fing also an zu joggen. Nun war endlich mal ich die Verrückte, die alle in den Bergen überholte und es fühlte sich gut an. :D Ich befand mich jedoch durchgängig auf über 2.000m und das merkte ich auch jedes Mal, wenn der Pfad ein wenig Steigung hatte. Hui. An einem längeren Stück hoch musste ich zurück ins Gehen wechseln, weil meine Lunge kurz davor war sich aus meinem Körper zu verabschieden. Nicht einfach die Funktion einstellen sondern direkt Auswandern. Tschüss.

Ich hatte die Abzweigung für den entspannteren unteren Weg verpasst und lief somit noch einmal zu einem Aussichtspunkt hinauf. Aber was waren das für wahnsinnige Aussichten auf den Dru! Hämmerte mein Herz von der Anstrengung oder von den Aussichten?

 

wenn man zu faul ist sich für ein Foto zu entscheiden...

In Montenvers nahm ich dann einen Zug zurück nach Chamonix (Menschenmassen, lange Warteschlangen; zu blöd das Ticket zu kaufen; nette Mitarbeiter, die mir das Leben retten – ich erspare euch die langweiligen Details) und hatte sogar noch Zeit für eine schnelle Dusche, bevor ich mich mit Mark an der Midi-Station traf. Long time no see. Da fahre ich heute nicht noch einmal hoch. Ha.

Ich benötigte Ausrüstung, denn Mark hatte uns für den nächsten Tag tatsächlich einen Guide organisiert für ein kleines hochalpines Abenteuer und dafür war ich nicht ausgestattet. Ich brauchte Kategorie C-Schuhe mit Steigeisen, eine Axt bzw. Eispickel (yay) und eine Sonnenbrille, die etwas mehr kann als meine 1-Dollar-Indien-Sonnenbrille. Konnte man natürlich alles ohne Probleme hier bekommen, wir waren schließlich im Outdoorparadies schlechthin. Wir belohnten uns mit den Burgern bei „Poco Loco“, die heute zum halben Preis waren - das Warten lohnte sich.

 

Traversata Aiguille de Marbrées (3.535m):

Wecker auf kurz vor 5 Uhr ist jetzt nicht so meine Vorstellung von Spaß, aber da Mark auch kein fröhlicher Morgenmensch ist, machten wir uns einträchtig grummelnd und wenig kommunikativ fertig. Sachen hatten wir am Abend schon gepackt, ich flocht mir meine Haare noch so, dass ich den Zopf ohne Druckstellen unter dem Helm tragen konnte, dann ging es los. Mael, unser Guide für heute, holte uns in seinem klapprigen VW-Bulli ab und dann ging es durch den kilometerlangen Tunnel unter dem Mont Blanc nach Italien. Bei dieser absolut eintönigen Fahrt musste sich Mael stark konzentrieren wach zu bleiben. Mark gab trotz Müdigkeit sein bestes ihn zu unterhalten und war damit definitiv ein Held, denn ich vegetierte nur so vor mich hin.

Im nächsten Dorf hinter dem Tunnel ging es mit der Gondel von der anderen Seite hinein in die Berge und wir fuhren bis auf 3.375m (Pointe Helbronner) hinauf, wo wir uns für die Tour zurecht machten. Noch einmal aufs Klo gehen (besonders für Frauen beim Tragen eines Klettergurtes später so gut wie unmöglich zu bewerkstelligen), Steigeisen unter die Schuhe, Helme auf und Seil an die Gurte knoten. Unsere kleine Seilschaft konnte wenig später auf das Eis des Gletschers hinausgehen.

 


Da ich das Küken der Gruppe war, durfte ich den sicheren Mittelplatz einnehmen und hoffte, dass trotzdem keiner der anderen beiden in einer Gletscherspalte verschwinden würde. Aber wir bewegten uns nur auf der großen, fast flachen Ebene zwischen den vielen hohen Gipfeln, die wenig Bewegung im Eis hatte und somit ziemlich sicher war. Hoffte ich. Es war auch ein beliebter Einstieg zu vielen anderen Routen, so dass wir kleinen einspurigen Pfaden im Schnee folgten und dabei zunächst deutlich abstiegen. Gesetz der Gletscherwanderungen: wer hinunter geht, macht den sich heraufkämpfenden Wanderern den Weg frei.

Es war ein trüber, wolkiger Tag, so dass der Schnee stumpf wirkte und die Gipfel im Schatten lagen. Über dem Tal sah man jedoch schon den ein oder anderen goldenen Strahl der Morgensonne zwischen den Wolken hervorbrechen – ein starker Kontrast zu den ungezähmten, dunklen Felszacken und ich hatte die Hoffnung, dass das Wetter sich noch bessern würde in der nächsten Zeit.

Ich hatte mich dick angezogen, aber mir wurde schnell warm und nach etwa 30 bis 40 Minuten waren wir auch schon am Felsen angekommen, einem Bergkamm, über deren aufgereihte Gipfel die Grenze zwischen Frankreich und Italien verläuft, der Aiguilles Marbrées. Wir umrundeten den in die Gletscherebene hereinragenden Teil der Steinformation und befanden uns nun zwischen unserem Grat und dem Dent du Géant (einem niedrigen, aber imposanten 4.000er) auf der anderen Seite. Der Einstieg auf die Felsen war einfach und so verstauten wir schnell Steigeisen und Eisäxte. Das Seil wurde verkürzt, denn zum Klettern braucht man nur wenige Meter, auf dem Gletscher waren wir etwa 10m voneinander entfernt gewesen.

 

Das Bild war vom Rückweg, aber man kann hier super die gesamte Länge der Aiguilles Marbrées sehen (der ganze Kamm von der Mitte bis rechts rüber, auf der Rückseite war der Einstieg in die Kletterroute), im Hintergrund die prominente Spitze des Dent du Géant.

Was für ein merkwürdiges Gefühl in schweren, klobigen Schuhen zu klettern, einen Rucksack auf dem Rücken zu tragen und mich in meinen Klamotten irgendwie behäbig zu fühlen. Einige Male stützte ich mich mit den Knien ab (hallo blaue Flecken!) und ich war begeistert wie anders Klettern an richtigen Steinen war. Nicht bloß kurzzeitig auf einer Wanderung die Hände benutzen oder im Klettersteig sein, sondern wirklich nur Felskanten und -spalten zu benutzen. 

Ich war absolut glücklich meine Kletterhandschuhe dabei zu haben, denn Mark hatte in seinen dicken Handschuhen keinen guten Halt, kletterte daher ohne Handschuhe und zeigte mir am Ende seine blutenden Hände. Ups. Bei langen Kletterstellen wurden meine Finger etwas kalt, denn die Sonne ließ sich nicht überreden uns die eiskalten Felsen zu wärmen, aber es machte einfach zu viel Spaß. An zwei oder drei Stellen wurde es kniffelig, ohne Klettererfahrung hätte ich vielleicht Hilfe gebraucht. Ich war glücklich! Allerdings auch die langsamste, weil ich sehr unsicher war und recht langsam von Stein zu Stein hüpfte und somit die Geschwindigkeit unserer Gruppe bestimmte. 

 


Der Anfang war recht steil bis wir den Hauptgipfel erreicht hatten und kurz die wundervolle Aussicht genossen. Danach kraxelten wir auf dem Grat über den Nebengipfel in ungleichmäßigem auf und ab in Richtung Abseilpunkt. An zwei Stellen mussten wir Traversen an steilen Hängen überwinden, bei der Mael einer Sicherung im Fels anbrachte, die Mark als letzter wieder einsammeln musste. Diese kleinen Geräte steckte man in Felsspalten und wenn man nun stürzt, sollten sie ausreichen, um einen aufzufangen. Da keiner von uns stürzte, kann ich die Sicherheit dieser Teile nicht beurteilen, für meine Psyche waren sie jedoch sehr aufbauend.

 


 

Da es nun hinabging und unser Guide ja immer „von oben“ sicherte, musste auf dem Weg hinab Mark vorgehen. Die Schlüsselstelle im Abstieg war eine senkrechte Wand von etwa zwei Metern, die man sich an den Händen hängend herablassen musste, um dann wieder auf einem der Felsen zu landen. Problem, als ich dort hing: Ich war zu klein und kam mit meinen Füßen nicht am Boden an. Ich hing also an meinen Händen und versuchte meinen Kopf so zu drehen, dass ich meine Füße sehen konnte (gar nicht so einfach mit klobigem Helm auf dem Kopf). Weil das vermutlich urkomisch aussah, musste ich lachen. Mark stand etwas hilflos hinter mir und wollte mich glaube ich gerade von der Wand hinunterheben, als mir die rettende Idee kam. Ich konnte mich ein kleines Stück zur Seite hangeln, was ausreichte, um dort mit den Füßen den nächsten Stein zu erreichen.

 


Kurze Zeit später kamen wir an der Stelle an, von der man sich normalerweise auf den Gletscher hinunter abseilt. Mael meinte jedoch, dass wir es wohl auch schaffen würden bis ganz zum Schluss zu gehen, wir waren gut durchgekommen. Also weiter, Mael ging wieder vor und suchte sich den Weg durch die Felstrümmer, denn auch er war diesen Weg noch nie ohne Schnee gegangen. Na Halleluja. Aber klappte alles wunderbar und dann waren wir nur noch etwa 10m oberhalb des Gletschers, ein steiler Hang voll losen Gerölls zwischen uns und dem verlockenden Weiß. Mark ging vor, war also unter mir, so dass ich besonders vorsichtig auftrat, denn die Steinplatten lagen sehr locker und alles, was ich lostrat, würde Richtung Marks Kopf rauschen. Immerhin bin ich trittsicher. 

Mark war nur noch 2m vom Schnee entfernt, als es für mich etwas steiler wurde, ich musste einen recht großen Schritt auf die nächste ebene Fläche machen und um nicht springen zu müssen (keine brillante Idee bei losem Geröll), hielt ich mich an einem größeren Felsen fest, Bauch an den Berg und ließ meine Beine kontrolliert hinab. Doch plötzlich bewegte sich der von mir sicher geglaubte Fels, Stein rieb auf Stein und kam auf mich zu gerutscht. Ich reagierte instinktiv, ließ den Stein sofort los und hoffte auf einen sicheren Stand für meine Füße, die eine Millisekunde später den Boden berührten. Für eine Sekunde schien die Welt still zu stehen. Ich hielt den Atem an. Geschockt bewegte ich mich schnell zur Seite. Wäre der Stein noch weiter gerutscht, hätte er mich in Brusthöhe getroffen und nach hinten geworfen, ich wäre rückwärts den Abhang hinabgefallen und vermutlich auf Mark gelandet, der direkt unter mir stand. Er meinte, er hätte uns schon sterben gesehen.

 

Aber es ging alles gut, etwas zittrig kam ich auf der beruhigend festen Eisfläche an. Dass ich einen Gletscher mal als beruhigend empfinden würde.. Haha.

Die oberste Schneeschicht war leicht angetaut, so dass wir ohne Steigeisen zurückstiefelten. Ich rutschte ein paar Mal hin und her, aber es ging schnell zurück. Was für ein Tag.

 

Gipfelfoto

Auf der Gondelrückfahrt sahen wir eine Herde Gämse am Hang und dann belohnten wir uns mit einer riesigen Pizza, wenn wir schon mal in Italien waren – göttlich! Es war zwar noch nicht einmal 12, aber Bergabenteuer machen hungrig!

Nachmittags lief ich begleitet von den riesigen Tropfen eines wunderbar warmen Sommerregens durch die Stadt, gab mein geliehenes Equipment zurück, genoss den Geruch des Regens und hörte Musik. Abends hatte sich der Regen dann zu einem ausgewachsenen Unwetter entwickelt, was auch sehr schön war.

Der nächste Tag war dann auch schon mein letzter hier und die Sonne schien als wäre nie etwas gewesen. Ich ging ein wenig Shoppen in der Stadt, kaufte ein paar Souvenirs und dann eine Ananas, weil Mark Hunger darauf hatte. Da ich die jedoch schon recht früh kaufte, marschierte ich selbstsicher mit Ananas in der Hand eine Stunde lang durch die Fußgängerzonen. Ananas ist die neue Clutch – bin mir sicher, dass sich das noch durchsetzen wird!

 

Den nächsten Tag kann ich spaßmäßig nicht weiterempfehlen. Wir fuhren gegen 8 Uhr los nach Genf, dann saß ich 10 Stunden oder so im Zug, beziehungsweise mehreren Zügen und kam gegen kurz vor 20 Uhr tatsächlich pünktlich in Bremen an. Puh. Mama und Papa holten mich ab und dann war ich wieder Zuhause. Moin.

 

Danke an Mark für die wunderbare Zeit, das liebe Aufnehmen und das Herumführen, die nette Gesellschaft, die lustigen Geschichten (schließlich bist du natürlich ohne Konkurrenz der witzigste Mensch der Welt) und das Mitschleppen auf verrückte Bergabenteuer! Ich bin mir sicher, dass du mich viel zu oft eingeladen hast - absolut nicht fair. :) Und Winke-Winke an alle warmherzigen, offenen Menschen in Chamonix, die das hier jedoch eh nie lesen werden. :D