Freitag, 8. Januar 2021

Stairway to Heaven – Wolkenpfade erklettern

There's a feeling I get when I look to the west

And my spirit is crying for leaving
In my thoughts I have seen rings of smoke through the trees
And the voices of those who stand looking

And it makes me wonder…

Your head is humming and it won't go, in case you don't know
The piper's calling you to join him
Dear lady, can you hear the wind blow, and did you know
Your stairway lies on the whispering wind?

Led Zeppelin - Stairway to Heaven

 

 

10.07.-14.07.2020. Innsbruck lag eine entspannte Fahrstunde entfernt von Garmisch-Partenkirchen und ich kam in sommerlich warmem Wetter dort an. Da ich in der Nähe der Innenstadt landete, beschloss ich die Touristen-Information aufzusuchen, wenn ich schon mal da war. Denn da ich Städte nicht so gerne mag, hatte ich mir eine Unterkunft außerhalb der Stadt gebucht, zu der ich danach mit dem Bus fahren würde. Da ich nun ein nagelneues Klettersteigset besaß, beschloss ich dieses auch zu nutzen und wollte mich vorab über Klettersteige in der Gegend informieren. Naja, die Damen in der Info waren wirklich sehr bemüht und googelten sogar für mich, aber im Endeffekt konnten sie mir nicht wirklich helfen. Alles klar, selbst ist die Frau.

Also raus aus der Stadt, das Tal etwas hinab, nach Götzens. Eine halbe Stunde später stand ich vor der Hoteltür und sah, dass das Hotel geschlossen war und nun war ich verwirrt. Wie hatte ich ein Zimmer buchen können, wenn das Hotel gar nicht geöffnet hatte? Anstatt unter dem Türsturz zu campieren, drückte ich einfach gegen die Tür und ging hinein – die Tür war offen. Ich hörte auch Geräusche und so ging ich immer weiter durch, bis ich jemanden fand. Eine nette, junge Frau klärte mich auf: sie hatten alle Reservierungen in ihr Partnerhotel umgebucht, da momentan nicht so viel los war. Das Partnerhotel lag zwei Minuten die Straße weiter hinunter am Ortsrand und ich bekam ein Eckzimmer mit wundervollem Blick auf die Berge! Ich fühlte mich sofort wohl in dem Zimmer mit großem Bett, fluffiger Bettwäsche und dem Balkon mit diesem Ausblick. :) Hier würde ich es gut aushalten können!

 


Noch an diesem Tag schwang das Wetter jedoch um: Es regnete heftig und würde die nächsten Tage bewölkt sein. Das warf meine Klettersteigplanungen etwas durcheinander, denn ich brauchte trockenen Felsen. Aber das Wetter ist, wie es ist und immerhin hatte ich dieses wunderbare Zimmer.

Ich ging nach dem heftigen Schauer noch einmal hinaus für einen kleinen Spaziergang durch den Wald und genoss die einsame Natur und die frische Luft, die nach dem Regen gereinigt schmeckte. Federnde Waldwege, lila Glockenblumen zwischen den Bäumen und glänzende Regentropfen, die von den nassen Blättern herabfielen und in der plötzlich golden scheinenden Abendsonne glitzerten.

Um den perfekten Tag etwas abzumildern, biss am Ende jedoch eine Bremse meine Hand blutig. Scheißviecher! Ich hasse sie noch mehr als Mücken. Verzeiht meine Ausdrucksweise…

 


Da das Wetter am nächsten Tag erwartet gruselig-schlecht war, beschloss ich von hier in Götzens eine Wanderung in die Berge zu machen und einfach zu hoffen, dass die Sonne irgendwann wiederkommen würde.

Kleiner Spoiler (damit ihr nicht vor Spannung sterbt – lol): Das Wetter wurde nicht besser und entweder regnete es oder es war einfach unglaublich bewölkt. Ich glaube von den 8 Stunden lief ich etwa 6 Stunden mit Regenschirm herum.

 

Wanderung zur Saile (Nockspitze):

Start: Götzens, knapp 900m üNN

Ziel (Gipfel): 2.404m

Strecke: ca. 20km mit 1.500 Höhenmetern

Wanderzeit: etwa 8 Stunden

Erste Bewertung, die mir bei Google angezeigt wurde: „Voll krass die Natur ey“

 

 


In Götzens kam ich an einer hübschen Kirche vorbei und war dann auch schon direkt am Rande der Berge. Innsbruck – und somit auch Götzens – liegen in einem breiten Tal, das auf beiden Seiten von recht steil ansteigenden hohen Berge umgeben ist. Wunderschön, wenn man sie sehen kann! Die Spitzen der Berge lagen heute jedoch unter einer dichten, grauen Wolkendecke und in diese stieg ich hinein. Niemand sonst hatte sich diesen Tag zum Wandern ausgesucht und so begegnete ich exakt einer einzigen anderen Person und die war mit Hund unterwegs. Naja, auch schön. Der Regen prasselte in unterschiedlichen Intensitäten auf meinen Regenschirm und begleitete so meinen Aufstieg. Immerhin war es nicht kalt und hey, die Sonne knallte mir auch nicht auf den Scheitel. ;)

Ich besuchte jeden Gipfel, der auf der Route lag, auch wenn mir keiner großartige Aussichten bescherte: Birgitzköpfl (1.980m) - Zwölferspitze (2.098m) - Pfriemeswand (2.100m) - Saile / Nockspitze (2.404m).

Vom Birgitzköpfl zeigten sich die nahen Bergspitzen immerhin mystisch im Wolkennebel, die Blumenwiese, auf der ich stand, hob meine Stimmung. Es war ein wunderschönes Fleckchen Erde, das konnte sogar das eher mäßig gute Wetter nicht verbergen.

 


Je höher ich kam, desto felsiger wurde es – über mir ragten die Sailespitzen empor, verborgen im Wolkennebel. An den klippenartigen Hängen wuchs nicht viel, es war eine großartige Landschaft. Auf dem kleinen Gipfel der Pfriemeswand hatte ich einen Moment Ruhe von dem Dauerregen und nutzte die Gunst der Stunde für ein paar alberne Selbstauslöserfotos am Gipfelkreuz. Dass ich auf 2000m noch einen Klimmzug schaffte, begeisterte mich.

Dann ging es an den letzten Aufstieg auf den höchsten Gipfel hier: die Saile. Ein Schild warnte vor dem weiteren Weg, man solle hier nur weiter gehen, wenn man erfahren und trittsicher sei. Ich kann immer sehr schwer einschätzen, ob damit Leute gemeint sind, die sonst nur auf geteerten Wegen laufen oder ob das halt wirklich gefährlich ist und so sagte ich mir immer wieder selbst vor „wenn der Fels zu rutschig wird, es gefährlich aussieht oder du denkst, dass der Rückweg kritisch wird, drehst du um“. Ich stand also ein paar Mal vor abenteuerlich schmalen Wegen direkt am Abgrund und stellte mir selbst die Frage „weitergehen oder umdrehen?“ – ich ging weiter. Ich war besonders vorsichtig, denn da ich allein unterwegs war, kann ein Unfall (der sonst vielleicht nicht tödlich wäre) durchaus so enden und dafür lebe ich doch zu gerne. Da ich aber trittsicher und schwindelfrei bin, ging ich langsam weiter, vorsichtiger als normal. Zum Schluss musste man dann noch ein wenig klettern, was mit einer Hand gar nicht so einfach war, da ich in der anderen meinen Schirm hatte. Der bekommt von mir 5 Sterne für Regenschutz, aber einen Stern Abzug in der Handlichkeit beim Klettern… An einer Stelle warf ich ihn voraus und kletterte dann mit beiden Händen am nasskalten, rutschigen Stein hinterher.

 


Der Gipfel war unglaublich langweilig! Nachdem ich die letzte Stunde in einer tollen Felslandschaft gewandert war, stand ich plötzlich auf einer saftigen, grünen Wiese. Wo kam die denn her? Ich sah bei dem noch stärkeren Regen oben absolut gar nichts und beschloss sofort wieder hinab zu steigen. Naja, immerhin war ich oben gewesen. :)

 

Ich nahm einen anderen Weg zurück durch schöne Täler, in denen auf ein paar kleinen Hängen Kühe grasten und hörte beim Abstieg Musik – ein guter Rhythmus und man ist gleich ein wenig schneller. Kurz vor Ladenschluss kam ich wieder in Götzens an und ging noch schnell ein paar Sachen einkaufen, denn am nächsten Tag war Sonntag.

 


Ich hoffte für diesen Tag auf gutes Wetter, aber als mein Wecker mich früh aus dem Schlaf klingelte, sah es noch gar nicht gut aus. Egal, ich machte mich fertig und fuhr nach Innsbruck und dort mit den Nordkettenbahnen hinauf auf die etwa 2.200m hohe Nordkette, wie sich die Berge auf der anderen Seite des Inntals nannten. Langsam klarte es im Tal auf und die Sonne traute sich hervor, doch an die Berghänge klammerten sich noch die schweren Wolken der letzten Tage. Ich fuhr also hinein in schlechte Sicht. Aber immerhin war es trocken und so sollte es auch bleiben, weswegen ich oben direkt mein Klettersteigset anlegte. Ich war wie der beste Großstadttourist in Flip Flops losgelaufen und hatte mir oben auf dem Berg ein paar skeptische Blicke eingefangen. Es war nämlich ziemlich kühl dort oben. Die Flip Flops waren jedoch kein Fashionstatement – ich hätte den Bus nach Innsbruck verpasst, wenn ich mir noch die Stiefel zugeschnürt hätte. :D

Ein älteres Pärchen quatschte nett mit mir als ich mich bergsicher anzog – ich glaube sie waren froh, dass ich noch andere Schuhe dabeihatte. Hach, mein Herz.

 


Innsbrucker Klettersteig „Innsbrucker Höhenweg“

Schwierigkeit: C

Höhenmeter: 550

Dauer: 5 Stunden (Zustieg 10 Minuten, Abstieg 1:30 Stunden), etwa 4 Stunden Kletterzeit

Exposition: Süd

Gebirge: Karwendel

Höchster Gipfel: Kemacher (2480 m)

 

Da es Sonntag war, machten sich noch ein paar andere vor dem Einstieg fertig und ich sah auch schon einige am Felsen – immerhin würde ich hier heute nicht allein sein.

Ein Heli flog über mir hinter die erste Kuppe und ich fragte mich ob das ein gutes oder schlechtes Omen für den Tag war.

Am Einstieg musste ich dann noch ein paar Minuten warten, denn es fängt direkt mit einer ziemlich knackigen etwa 15m hohen Steilwand an und die Leute über mir mussten erst einmal so weit vorklettern, dass sie mir nicht auf den Kopf fallen würden. Das Mädel vor mir schien noch nicht oft geklettert zu sein, denn sie brauchte an einer Stelle sehr lange und ihre Freundin versuchte von oben wenig erfolgreich zu helfen. Ich dachte schon, dass sie wieder zurück klettern würde, aber dann schaffte sie es doch und ich konnte endlich los. Ich fand auch die schwierige Stelle, an der sie so verzweifelt war: Großer Abstand zwischen den wenigen Tritten und nichts außer dem Seil zum Festhalten. An einer Steilwand. Auch wenn man gesichert ist, kann einem das schon schwitzige Hände bereiten. Ich kam aber ziemlich schnell oben an und von dort ging es eigentlich recht einfach weiter. Der schwierigste Teil was das Klettern anging war ironischerweise schon vorbei.

Die Route folgt nun dem Kamm, der das Innsbrucker Tal von dem dahinter liegenden Karwendelgebirge trennt – immer wieder hoch und runter. Kletterpassagen wechseln sich mit teilweise ungesicherten Gehpassagen ab.

 

Stairway to heaven...

Zunächst war ich noch für etwa 30 Minuten in den immer dünner werdenden Wolken, doch dann plötzlich entfaltete sich die ganze Pracht der Alpen vor mir und wenn ich auf der anderen Seite hinabschaute, glitzerte der Fluss mit der großen Stadt 2000m unter mir. Was für ein Kontrast! Zivilisation auf der einen und verrückte, aufgebrochene Mondlandschaft auf der anderen Seite! In der Ferne glitzerte die ungebrochene Schneedecke der Gletscher, wenn die Wolken einmal kurz aufbrachen. Teilweise saß man quasi so auf dem Grat, dass ein Bein über der Stadt schaukelte und das andere in Richtung Berge zeigte, so schmal war der Felsen dort.

 


Es kamen noch ein paar interessante Kletterstellen, einmal einen Kamin (einem Felsspalt) in Schwierigkeit C hinauf und dann ein kleines „Abseilen“ auf eine ebenere Stelle. Als die Sonne herauskam, musste ich mich direkt ausziehen, es wurde warm hier oben. Ich war flott unterwegs, wenn ich gesichert war und überholte ein paar langsamere Mädels, wurde aber auch von ein paar quasi rennenden Männern überholt. Immer, wenn man sich aus dem Sicherungsseil aushaken musste, weil es ungesichert weiter ging, wurde ich sehr langsam und vorsichtig, denn es gab zwar Pfade, über die man nur Wandern bzw. Kraxeln musste, aber neben einem ging es trotzdem hunderte Meter hinab und wer da fällt, ist halt tot. Trittsicherheit und absolute Schwindelfreiheit sollte man für diesen Klettersteig mitbringen.

 


Irgendwann erreichte ich den höchsten Gipfel auf der Route, den Kemacher mit 2480m, auf dem ich meine Mittagspause machte. Da es hier sogar eine kleine Wiese gab, war ich auch nicht die einzige, die die Ruhe, Sonne und die tollen Ausblicke genoss.

 

Ab hier wurde der Weg noch etwas einfacher, es ging fast nur noch leicht bergab, bis ich dann auf einem sanft geschwungenen Sattel ankam, der auch zugleich der Ausstieg der Route war. Etwa 4 Stunden hatte ich bis hier gebraucht, was auch meine Hoffnung zunichtemachte, dass ich noch den zweiten Teil des Klettersteiges gehen konnte. Dieser würde noch einmal 2 bis 3 Stunden dauern und hätte die Schwierigkeit D (mein schwerster Grad war bisher C gewesen). Würde ich nun also weiter gehen, würde ich die letzte Bahn hinab verpassen und die knapp 2000 Höhenmeter runter in die Stadt zusätzlich laufen müssen. Meine Begeisterung hielt sich dezent in Grenzen. Also beschloss ich irgendwann noch einmal wieder zu kommen und machte mich an den Abstieg zur Seegrube (1904m), wo ich in die Gondel hinab einsteigen konnte.

 


Die gesparten Wandermeter hing ich dann in Innsbruck dran und lief durch die sonnendurchflutete Innenstadt: Dom, Palast, Kirchen, Maria-Theresien-Straße, Triumpfbogen und so weiter. An diesem entspannten Sonntagnachmittag saßen viele Leute draußen in den Cafés und es waren nur wenige Autos auf den Straßen.

Ich überlegte dort zu essen, fand aber nicht das richtige und fuhr wieder zurück nach Götzens, wo ich mir eine leckere Pizza gönnte und natürlich ein wohlverdientes Radler. Die Atmosphäre war super nett und ich würde sofort wieder hingehen, aber ich bin echt kein Mensch, der gerne alleine im Restaurant sitzt. Es ist einfach irgendwie langweilig.

 


Meinen letzten Tag in Götzens nutzte ich für die weitere Planung meiner Reiseroute, zum Entspannen und dem Aufarbeiten ein paar Sachen, die mich in der Zwischenzeit von Zuhause erreicht hatten. Der Tag verabschiedete sich gebührend mit einem unglaublichen Sonnenuntergang, der wie ein Waldbrand über die Berge zog.

 


 

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